Süddeutsche Zeitung

Wahlkampf in Wolfratshausen:Das Zerren um den Bürgerladen

Lesezeit: 2 min

Mit Plakaten und Flugblättern werben Gegner und Befürworter um Ja oder Nein zum Untermarkt 10. Am Ende droht nicht nur dem Standort, sondern der ganzen Idee das Aus.

Von Claudia Koestler, Wolfratshausen

Auf Flugblättern, Plakatständern und in Infoveranstaltungen wird derzeit stadtweit um Ja- oder Nein-Stimmen geworben. Doch die Frage, die hinter der Entscheidung steht, spaltet Bürger und Rat, andere schmieden dafür neue Allianzen. Nur vordergründig geht es um den Grundsatz pro oder contra Bürgerladen. Vielmehr drehen sich die Kontroversen, die zu einem Bürgerentscheid am 6. Dezember geführt haben und im Vorfeld ein wahlkampfähnliches Gezerre um Stimmen hervorrufen, um dessen Standort. Damit verbunden ist für die einen die Frage, welche Kosten auf Stadt und Steuerzahler zukommen. Für Bürgerladen-Sprecher Ernst Gröbmair hingegen ist der Standort Untermarkt alternativlos. Für ihn lautet die entscheidende Frage: "Entweder dort, oder das Projekt ist tot."

"Nicht um jeden Preis"

So verhärtet sind derzeit die Fronten, dass es in Wolfratshausen zu einem Novum gekommen ist: Erstmals haben 16 Stadträte aus versammelter CSU und SPD sowie drei der Bürgervereinigung zusammengefunden, um gemeinsam ihre Position darzulegen - eine Zweidrittelmehrheit der 24 Sitze. Sie werben dafür, dass die Wolfratshauser Bürger beim Entscheid mit "Nein" stimmen. Ihre Kernbotschaft: "Wir wollen einen Bürgerladen, aber nicht um jeden Preis." Das sagten fünf Vertreter der Gruppe bei einer Pressekonferenz am Donnerstag.

Man müsse die Frage der Nahversorgung vom Standort trennen, erklärte Günther Eibl (CSU). "Wir sind nicht ausschließlich fokussiert auf den Untermarkt 10, sondern sehen andere Möglichkeiten für einen kleineren Bürgerladen im Innenstadtbereich, der unter Umständen schneller und günstiger zu realisieren wäre", sagte Eibl.

Bürgerinitiative schließt andere Standorte aus

Das sieht Gröbmair komplett anders: "In keinem anderen Laden in der Innenstadt sind die 160 Quadratmeter Verkaufsfläche darstellbar, die es für den wirtschaftlichen Erfolg braucht." Für ihn ist es "völlig unverständlich", dass trotz mehrfacher Standortbewertung das Haus am Untermarkt noch immer angezweifelt werde.

Das Projekt am Untermarkt 10 ins Trudeln gebracht hätten indes die Lage, sondern die mit der Sanierung verbundene Kostenexplosion, argumentieren die Räte. "Selbst mit Städtebauförderung ist das alles Steuergeld. Als gewählte Bürgervertreter haben wir auch die Verantwortung für die Stadtfinanzen", sagte der zweite Bürgermeister Fritz Schnaller (SPD). Derzeit gebe es keine konkrete Zusage der Städtebauförderung, und selbst mit Förderung führe das zu einer Wettbewerbsverzerrung zuungunsten anderer Einzelhändler. Denn die Bürgerladen-Betreiber würden dann nur 4,50 Euro warm pro Quadratmeter zahlen, eine subventionierte Miete, die andere nicht hätten. "Gleiche Bedingungen für alle", forderte Eibl.

Inklusion wäre vom Tisch

Zur Größe des Bürgerladens erklärten sie, dieser dürfe nur abdecken, was im Markt fehle. "Alles darüber hinaus ist Luxus, der zurzeit nicht leistbar ist", sagte Schnaller. Ein "Marktversagen", wie es der Deutsche Städte- und Gemeindebund als Grund für einen Bürgerladen vorgebe, liege in Wolfratshausen schließlich nicht vor, es gebe Bäcker, Metzger, Obst- und Gemüsehändler sowie den Grünen Markt.

Mit einem Nein im Bürgerentscheid wäre auch die angestrebte Inklusion vom Tisch - "ein Baustein, auf den verzichtet werden muss", erklärte Fritz Meixner. Dabei war er es, der die Idee aufgebracht hatte. "Aber ich habe immer gesagt, wenn wir es schaffen, dann ist es das i-Tüpfelchen. Plötzlich ist das Thema ein notwendiges Muss. Doch es geht um Nahversorgung und nicht um ein soziales Projekt", sagte er am Donnerstag.

Die Initiative will kontern

Eberhard Hahn, Vorsitzender der Bürgerladen-Initiative, kündigt an, per Flyer auf die Plakataktion der Stadträte reagieren zu wollen. Für ihn seien viele Argumente nicht nachvollziehbar, etwa, dass die Bürgerladen-Gruppe 100 000 Euro der Stadt verschmähen würde. "Diese Summe darf die Stadt uns gar nicht geben, weil wir genossenschaftlich organisiert sind", sagt Hahn.

Das würde, ergänzt Gröbmair, der Stadt im Gegenzug eine Stimmenmehrheit geben. Den Bürgerladen von der Standortfrage zu lösen gehe also "im Prinzip ja, de facto nein", sagt Hahn. Letztlich zeigt sich Hahn aber auch ein bisschen froh über die Aktion der Räte. "Vielleicht lässt sich bei den Infoveranstaltungen im direkten Gespräch klären, wie wir aus dem Dilemmas rauskommen".

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Quelle:
SZ vom 21.11.2015
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