Süddeutsche Zeitung

Wackersberg:Arzbacher warnen vor Spekulanten

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Bürger lehnen ein von der Gemeinde Wackersberg beschlossenes Neubaugebiet für Einheimische ab

Die Gemeinde Wackersberg hat ein 1,8 Hektar großes Grundstück in Arzbach gekauft, das sie als Bauland für Einheimische ausweisen will. Vor allem junge Familien sollen dort Grundstücke zu erschwinglichen Preisen bekommen. Der Gemeinderat stimmte der Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplanes mit elf zu drei Stimmen zu. Das Projekt ist umstritten. Anwohner protestieren gegen das Baugebiet südlich der Längentalstraße, zwischen Hahnenkamm- und Alpenbadstraße. Sie kritisieren das Vorhaben unter anderem als überdimensioniert für Arzbach und werfen Bürgermeister Alois Bauer (Wählergemeinschaft Oberfischbach) vor, er habe ein Geschäft mit Spekulanten abgeschlossen. Außerdem beklagen sie, vorher von Bauer nicht in Kenntnis gesetzt worden zu sein.

Wie viele Wohnhäuser auf dem Areal einmal stehen sollen, ist noch unklar. Das soll sich erst im Planungsverfahren zeigen. "Der erste Schritt war, dass man überhaupt etwas macht", sagt Bauer. Die Gemeinde erwarb den Baugrund von Privateigentümern als landwirtschaftliche Fläche, muss jedoch später noch einen Aufpreis zahlen, wenn sie die Grundstücke verkauft. Davon würden allerdings Erschließungskosten oder auch Ausgaben für den Notar wieder abgezogen, so Bauer. Darüber hinaus dürfen die bisherigen Eigentümer 30 Prozent des Areals selbst veräußern. Die Netto-Fläche für Einfamilien- oder Doppelhäuser soll circa 13 000 Quadratmeter betragen. "Wir hoffen, dass wir das schaffen", sagt der Bürgermeister.

Ein Problem ist die Zufahrt zu dem neuen Wohngebiet. An der Kapelle am Abzweig von der Hauptstraße in die Längentalstraße gibt es eine Engstelle, die nur einspurig zu befahren ist. Bauer zufolge soll die Straße auf einer Länge von 300 Metern künftig etwa fünf Meter breit sein, zudem soll dort Tempo 30 gelten. Außerdem plant er einen Fußweg bis zur Hahnenkammstraße, damit Passanten gefahrlos laufen können. Auch eine Querungshilfe sei vorgesehen, sagt er. Überdies soll die schwierige Zufahrt zu den Parkplätzen an der Kirche neu geregelt werden, dann nicht mehr von unten, sondern von oben möglich sein.

Die Gemeinderäte Josef Kaltenhauser, Hans Demmel und Martin März stimmten gegen den Bebauungsplan. Sie wollen vor jedem weiteren Schritt erst einmal die Verkehrsführung geregelt sehen. "Die Zufahrt braucht eine hundertprozentige Lösung", sagt Kaltenhauser. Zunächst müsse sichergestellt sein, dass dies funktioniere. Da könne man schon mal einen Monat warten, ehe ein Aufstellungsbeschluss gefasst werde. Dem widerspricht Bauer: Es ginge zu viel Zeit verloren. Die Zufahrt werde "auf jeden Fall parallel geplant", sagt er.

Von dem neuen Wohngebiet ist Kaltenhauser "nicht so begeistert". Er befürchtet eine erhebliche Zunahme des Verkehrs, das Baugebiet ist ihm zu groß. Diese Kritik üben auch Anlieger, die schon in der Bürgersammlungeinen Fragenkatalog vorlegten, der in der Ratssitzung durchgegangen wurde.

Arzbach habe 100 bis 120 Häuser, nun kämen 30 neue hinzu, sagt Konrad Eberl, einer der Anwohner. Neben einem erhöhten Verkehrsaufkommen sieht er Lasten für die Infrastruktur des Dorfes, etwa für Kindergärten und Schulen, und auch Veränderungen der sozialen Struktur. In dem Wohngebiet würden sich neben jungen Familien auch wohlhabende Neubürger ansiedeln. Konrad geht es dabei jedoch nicht um eine Konfrontation zwischen Alteingesessenen und Jungbürgern. Sein Appell lautet: "Alle Bürger gegen Spekulanten." Seiner Auffassung nach ist das Areal südlich der Längentalstraße "ein reines Spekulationsgrundstück". Mit dem Grundstückskauf reiche die Gemeinde Millionen an Spekulanten rüber, während die Belastungen bei den Bürgern blieben.

Vor allem missfällt den Anliegern, dass die Kommune die Einwohner vor dem Aufstellungsbeschluss nicht in das Vorhaben einbezogen habe. "Eine Diskussion sieht anders aus", sagt Eberl. Nach dem Beschluss des Gemeinderats sei das nun kaum noch möglich. Auch wenn Einwände im Bebauungsplanverfahren eingereicht werden können, zeigten die Erfahrungen in der Region, dass sie wegargumentiert oder abgeschmettert würden, so Eberl.

Bürgermeister Bauer versteht die Aufregung nicht. Schon vor der Bürgerversammlung seien die Anlieger in der Sitzung des Bauausschusses informiert worden: "Im Gemeinderat haben wir ihren Fragenkatalog abgearbeitet." Bauer räumt ein, dass das neue Wohngebiet eine Zunahme des Verkehrs mit sich bringen werde. Auf der anderen Seite werde die Situation in der Längentalstraße, die "nicht so glücklich" sei, "erheblich verbessert". Eine Belastung für die Infrastruktur vermag der Bürgermeister nicht zu erkennen, im Gegenteil. Angesichts schwacher Geburtenzahlen "brauchen wir junge Familien auch von den Kindergärten und Schulen her".

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SZ vom 29.03.2016
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