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Vor dem Amtsgericht:Mit Kaiserspeck gelockt

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Vor dem Amtsgericht müssen sich an diesem Mittwoch ein Markthändler und zwei Kommunalbeamte wegen Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme verantworten

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Mit Speck fängt man Mäuse: An diesem bekannten Sprichwort soll sich ein Standbetreiber auf einem Markt im Landkreis orientiert haben. Allerdings zielte der Mann aus einem Nachbarlandkreis nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft auf die menschliche Spezies.

Der Standbetreiber soll zwei Kommunalbeamte einer Landkreis-Kommune mit Schinkenspeck und Kaminwurzen gewogen gestimmt haben. Er wird beschuldigt, über viereinhalb Jahre hinweg dem früheren Marktmeister 18 Mal ein Stück Speck geschenkt zu haben. Ein Paar Kaminwurzen soll dessen Stellvertreter und jetziger Nachfolger erhalten haben. Damit habe sich der Fierant seinen Stammplatz auf dem Wochenmarkt sichern wollen.

Dieses Gebaren geriet in den Fokus der Ermittler. Deswegen muss sich der Marktverkäufer wegen Vorteilsgewährung an diesem Mittwoch vor dem Wolfratshauser Amtsgericht verantworten. Die beiden Kommunalbeamten sitzen ebenfalls auf der Anklagebank. Alle drei Beschuldigten haben gegen Strafbefehle Einspruch eingelegt. Auf Nachfrage lehnte der Bürgermeister der betroffenen Kommune eine Stellungnahme ab.

Wie die Staatsanwaltschaft München II am Dienstag mitteilte, habe sich der beschuldigte bei der betroffenen Kommune beschwert. So hätten die Ermittlungen begonnen. Die Auseinandersetzung habe sich wohl daran entzündet, dass der Fierant auf dem Markt seinen nicht gewohnten Stammplatz bekommen habe.

Mit reichhaltigem Angebot und Gaumenfreuden wirbt das Fachgeschäft der Ehefrau, wofür der Markthändler arbeitet. Er verkaufte die Produkte auf einem Markt in einer Landkreis-Kommune. Jedes der Speckstücke, die er dem Marktmeister geschenkt haben soll, wird auf einen Wert von mindestens zwölf Euro geschätzt. Bei einer Gelegenheit soll dessen Stellvertreter ein paar Kaminwurzen mit einem Preis von 3,50 Euro erhalten haben.

Im Fall einer Vorteilsannahme durch Beamte spielt der Wert einer Zuwendung nur teilweise eine Rolle. Beamte im Freistaat bis hin zur kommunalen Ebene dürften nur ausnahmsweise ein Geschenk annehmen, teilt die Pressestelle des bayerischen Innenministeriums auf Anfrage mit.

In jedem Fall müsse die oberste Dienstbehörde oder die von dieser bestimmten Behörde zustimmen. Verstießen Beamte dagegen, könnten sie sich wegen Vorteilsannahme strafbar machen. Entsprechende Richtlinien existierten aber nicht.

Allerdings gelten für Beamte etwa vom bayerischen Finanzministerium erlassene Verwaltungsvorschriften. Demnach könne als stillschweigend genehmigt - und damit zulässig - angesehen werden, wenn nach "allgemeiner Auffassung nicht zu beanstandende, geringwertige Aufmerksamkeiten" angenommen würden. Konkrete Wertgrenzen seien aber nicht explizit genannt.

In Beamtenkreisen ist die sogenannte "Kugelschreiberverordnung" bekannt. Demnach sollten Geschenke mit einem Wert höher als dieses Schreibgerät abgelehnt werden. Wie der Wolfratshauser Polizeiinspektionsleiter Andreas Czerweny erklärt, wolle er seine Beamten gar nicht erst in eine rechtlichen Zwiespalt bringen. Denn immer wieder einmal brächten Anwohner kleine Aufmerksamkeiten in die Dienststelle. Er trete dafür ein, Geschenke lieber strikt abzulehnen. "Ein bisschen schwanger geht nicht", sagt er. In solchen Fällen empfehle er deswegen den Anwohner lieber eine Spende, etwa für die Opfervereinigung Weißer Ring.

Zu dem Fall aus dem Landkreis sind der früherer Marktmeister und der Marktverkäufer telefonisch am Dienstag nicht zu erreichen. Der damals stellvertretende Markmeister will sich nicht äußern. Er deutet aber an, dass er aus seiner Sicht nie eine Kaminwurz bekommen habe.

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SZ vom 10.01.2018
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