Süddeutsche Zeitung

Verlängerung der S7:"Wir ersticken im Verkehr"

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Wann und wie genau S-Bahn und B 11 ausgebaut werden können, ist derzeit offenbar immer noch ungeklärt. Geretsrieds Bürgermeister Michael Müller greift beim Besuch von Staatssekretär Stephan Mayer aus dem Bundesinnenministerium deshalb zu drastische Worten

Von Felicitas Amler, Geretsried

Die Stadt Geretsried wird offenbar noch sehr lange auf eine bessere Verkehrsanbindung warten müssen. Diesen Eindruck mussten Teilnehmende eines Besuchs aus Berlin am Dienstag im Rathaus gewinnen. Bis Geretsried mit drei eigenen Bahnhöfen an die S-Bahn angeschlossen und die Bundesstraße 11 vierspurig ausgebaut ist, wird es demnach noch viele Jahre dauern. Denn bisher haben sich die beiden unterschiedlichen Träger, Deutsche Bahn und Staatliches Bauamt, noch nicht einmal besprochen. Dies erläuterte Bürgermeister Michael Müller (CSU) seinem Gast Stefan Mayer (CSU), Staatssekretär im auch fürs Bauen zuständigen Bundesinnenministerium. "Wir ersticken im Verkehr", sagte Müller.

Der vierspurige Ausbau der B 11 und die Verlängerung der S 7 bis Geretsried sind seit Jahren diskutierte und immer im Verbund gesehene Projekte. Und sie sind die entscheidende Perspektive für die weitere Stadtentwicklung in Richtung Osten zum Schwaigwaller Bach hin. Dort, auf der Böhmwiese, soll ein neues Viertel entstehen. Und erst dann, so wurde die Innenstadtverdichtung rund um den Karl-Lederer-Platz mit einer Tiefgarageneinfahrt direkt vor dem Rathaus begründet, werde um das Rathaus herum eine urbane Situation mit einem großen neuen Platz und Kultureinrichtungen möglich sein.

Das Planfeststellungsverfahren für die S 7 bis Geretsried läuft. Mit dem Abschluss rechne er nächstes Jahr, erklärte Müller. Die Verlegung der B 11 samt vierspurigem Ausbau sei im "vordringlichen Bedarf" des Bundesverkehrswegeplans - dies allerdings bereits seit fünf Jahren. Die B 11 gehöre mit mehr als 30 000 Fahrzeugen täglich zu den stark befahrenen Bundesstraßen, so Müller. Die Schätzung laute, dass es um die 50 000 Fahrzeuge täglich bis zum Jahr 2035 werden. Der Verkehr habe aber bereits so zugenommen, dass die Planungen nicht mehr aktuell seien und überarbeitet werden müssten. Der Bürgermeister beklagte unter Zustimmung des Staatssekretärs ganz allgemein die Dauer der bürokratischen Abläufe. "Wir ersticken im Verkehr", sagte Müller, "schaut's bitte, dass die Verfahren schneller werden."

Eine Unklarheit kommt erschwerend für Geretsried dazu. B 11- und S-Bahn-Ausbau könnten ja, wie Müller erklärte, wegen der räumlichen Nähe nicht gleichzeitig abgewickelt werden. Denn während der Bauphase der B 11 müssten die starken Verkehrsströme irgendwo umgeleitet werden. "Wie läuft das ab?", fragte Müller. Es bedürfe einer Ausweichroute. "Die beiden Planungsträger müssen in irgendeiner Form harmonieren." Bisher aber hätten sie sich nicht abgesprochen.

Mayer sagte, mit dem S-Bahn-Ausbau könne wohl frühestens in zwei bis drei Jahren begonnen werden, wenn die Planfeststellung kommendes Jahr stehe und wenn man Zeit für die zu erwartenden Klagen einrechne. "Wenn's gut geht, könnte sie bis 2030 fertig sein. Und dann erst kann man die B 11 angehen", so der Staatssekretär.

Es gibt aber offenbar noch ein drittes Hindernis: Die B 11 ist nach Müllers Worten nur in einem kurzen Teilbereich im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans, die übrige Strecke ist gar nicht darin enthalten. Der Bürgermeister wiederholte seinen Hilferuf an den Staatssekretär: "Wir ersticken im Verkehr."

Mayer nannte die ganze Angelegenheit "spannend" und sagte, man müsse einmal "alle Beteiligten zusammenholen". Ob das jetzt geschieht und wer es in die Wege leitet, blieb allerdings offen. Mayer ist CSU-Abgeordneter des Wahlkreises Altötting-Mühldorf am Inn. Er kam in Begleitung seines Parteifreunds Alexander Radwan, Abgeordneter für Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach. Radwan sagte, in der Wahrnehmung der Geretsrieder Bürgerschaft sei die S-Bahn-Planung "eine unendliche Geschichte".

Müller zeigte den Besuchern das neu gestaltete Stadtzentrum. Bei schönem Wetter fanden sie den Karl-Lederer-Platz in entspannter Atmosphäre vor, mit Kindern, die in den flachen Wasserläufen spielten, und Erwachsenen, die im Schatten der Bäume saßen. Mayer unterstrich die Gemeinsamkeiten von Geretsried und Waldkraiburg in seinem Wahlkreis. Beide sind von deutschen Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Relikten großer NS-Rüstungsbetriebe mit jeweils Hunderten Bunkern aufgebaut worden. Dem Geretsrieder Bürgermeister sprach er ein "großes Kompliment" für die Stadtentwicklung aus.

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SZ vom 22.07.2021
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