Süddeutsche Zeitung

Bad Tölz:Hohe Mieten behindern Wirtschaftswachstum

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Bei einer Unternehmensbefragung zeigen sich Firmen in Bad Tölz trotz Corona weitgehend zufrieden. Der teure Wohnraum erschwert allerdings die Suche nach Mitarbeitern - und noch ein zweites Problem gibt es in der Kurstadt.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Die Corona-Pandemie hat die meisten Firmen in Bad Tölz bislang nicht arg gebeutelt. Lediglich 3,9 Prozent der Betriebe in der Kurstadt gaben in der Unternehmensbefragung 2021 an, dass sie kurz vor der Pleite stehen. Und ebenfalls nur 3,9 Prozent erklärten, dass sie die Zahl ihrer Beschäftigten reduzieren wollen. Das gab Wirtschaftsförderin Sandra Herrmann am Dienstagabend im Kur-, Tourismus- und Wirtschaftsausschuss des Stadtrats bekannt. Insgesamt, so ihr Fazit, seien die Unternehmen in Tölz ganz zufrieden - allerdings nicht mit allem. Vor allem die hohen Preise fürs Wohnen und die fehlenden Gewerbeflächen werden von den ansässigen Firmen kritisiert.

Die Unternehmensbefragung wurde durch die Wirtschaftsförderung des Landkreises sowie der Städte Bad Tölz, Wolfratshausen und Geretsried initiiert. Der Auftrag dafür ging an die Gesellschaft für angewandte Kommunalforschung (Gefak) aus Marburg, die rund 1700 Betriebe im Landkreis kontaktiert hat. 542 Fragebögen kamen ausgefüllt zurück, wobei der Rücklauf mit gut 35 Prozent in Bad Tölz besonders hoch war. Weil auch alle Banchen erfasst wurden, misst Wirtschaftsförderin Herrmann den Ergebnissen "überdurchschnittliche Aussagekraft" bei.

In der Kurstadt gaben 26,4 Prozent der Betriebe an, dass Corona negative Folgen für sie habe. Dagegen spürten 29,3 Prozent bisher keine Auswirkungen, für 8,9 Prozent verlief das Geschäft sogar sehr positiv. Der Rest kämpfte sich halbwegs unbeschadet durch. Das zeigen auch andere Daten: 55,6 Prozent der befragten Firmen kamen in der Pandemie ohne Kurzarbeit aus, 42,9 Prozent hingegen nicht. 54,6 Prozent der Tölzer Unternehmen gaben an, dass sie nun neue Arbeitskräfte anstellen wollen. Nur sieben Prozent erklärten, dass sie von Bad Tölz wegziehen möchten.

Die Zufriedenheit mit dem Standort sei also "insgesamt hoch", betonte Herrmann. An der Kurstadt schätzten die Unternehmen vor allem das Angebot an Schulen und Kindertagesstätten, die Nahversorgung, die Nähe zu Hauptkunden - und nicht zuletzt die Versorgung mit Internet und Mobilfunk. Um den Breitbandausbau hatte sich vor allem Falko Wiesenhütter bemüht, der Vorgänger von Herrmann als Wirtschaftsförderer. "Von der Stadt ist da viel Arbeit reingesteckt worden", sagte Herrmann. Ein großes Plus von Tölz ist aus Sicht der Firmen auch das Kultur- und Freizeitangebot. "Da schneiden wir dramatisch besser ab als etwa Wolfratshausen."

Aber es gibt auch eine Reihe von Punkten, mit denen die Betriebe unzufrieden sind. Dazu gehört der öffentliche Nahverkehr, ebenso die Anbindung an Flughafen und überregionale Straßen. Hier stehe man "wesentlich schlechter" da als Wolfratshausen und Geretsried, so Herrmann. Vor allem vermissen die Tölzer Firmen aber Gewerbeareale und bezahlbare Wohnungen. 23 Prozent der Betriebe hätten einen Gewerbeflächenbedarf von insgesamt mehr als 17 Hektar, sagte Herrmann.

Georg Melf sucht derzeit zwar kein neues Areal für seine alteingesessene Zimmerei. Die beiden 3300 und 2000 Quadratmeter großen Grundstücke für seinen Betrieb genügen dem Seniorchef. Die Ergebnisse der Befragung kann er aber nur bestätigen. Wollte er seine Zimmerei erweitern und das auch "gescheit machen", wäre dies ob des Preisniveaus in Tölz "unerschwinglich". Für Melf ließen sich auf dem brach liegenden Moralt-Gelände an der Lenggrieser Straße noch Gewerbeareale schaffen. Aber: "Ob das was wird, da bin ich eher skeptisch." Auch die hochpreisigen Wohnungen seien "ein Problem, das mit Sicherheit nicht besser wird". Seiner Ansicht nach tue der Staat "ein Übriges, damit die Mieten nur ja nicht billiger werden". In seinem Betrieb bildet Melf, selbst Lehrlingswart der Zimmerer-Innung Miesbach/Bad Tölz-Wolfratshausen, derzeit drei Azubis im dritten Lehrjahr aus. An künftigen Arbeitskräften fehlt es ihm darob nicht.

Von manchen Firmen wisse sie bereits, dass die Gewerbeflächen benötigen, sagte Herrmann. Andere, die man nun aus der Befragung kenne, werde man demnächst kontaktieren. Was den kostspieligen Wohnraum anbelangt, so sei dies ein Thema "nicht nur für Bad Tölz, sondern für die ganze Region", sagte Bürgermeister Ingo Mehner (CSU). In der Kurstadt seien zwar etliche Wohnungen gebaut worden, das Problem sei jedoch, "dass dort keine im Berufsleben stehenden Personen eingezogen sind". In Zukunft gelte es, immer wieder Möglichkeiten zu finden, "wo man passend zum Gewerbe auch Mitarbeiterwohnungen schafft", sagte Mehner. Andrea Niedermaier (FW) zeigte sich pessimistisch. Die hohen Preise für Wohnraum dürften "schwer abzustellen" sein, sagte die Wirtschaftsreferentin des Stadtrats.

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Quelle:
SZ vom 14.10.2021
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