Süddeutsche Zeitung

Tölzer Stadtkapelle:Schallsegel statt "Sardinenbüchse"

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Das Ensemble um Dirigent Josef Kronwitter zieht aus den beengten Verhältnissen in der Alten Madlschule aus und übt künftig einem modernen Proberaum im Neubau an der Jahnschule. Nur an der Akustik muss dort noch ein wenig gefeilt werden.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Früher saßen sie mit ihren Instrumenten und Notenpulten eng aneinander. Mit einer "Sardinenbüchse" vergleicht Dirigent Josef Kronwitter das Klassenzimmer in der Alten Madlschule, wo die Musikerinnen und Musiker der Tölzer Stadtkapelle bislang üben mussten. Und die Akustik war in dem betagten Haus trotz einiger Verbesserungen auch alles andere als ideal. Aber jetzt, sagt Kronwitter, sei er "überglücklich". Der moderne Probenraum im Neubau an der Jahnschule sei geradezu "gigantisch" im Vergleich zur Madlschule. "Wir haben nun Luft, einen Raum mit einer gewissen Höhe und einer Akustik, die wir nie gehabt hatten", freute sich der Dirigent bei der Einweihung am Mittwochabend.

Darum hatte Kronwitter lange kämpfen müssen. Vor elf Jahren habe er zum ersten Mal wegen einer anderen Stätte zum Üben bei der Stadt angefragt, erzählt er. Allzu viel Hoffnung hatte er jedoch nicht. "Im Traum habe ich nicht geglaubt, dass das etwas wird." Wurde es schlussendlich aber doch, als die Stadt den neuen Trakt an der Jahnschule mit Turnhalle, Klassenzimmer und Mittagsbetreuung plante. Und eben mit einer Heimat für die Stadtkapelle. Stadtbaumeister Florian Ernst liefert dazu die Daten: Der Probenraum, der wie die benachbarte Turnhalle in dem Neubau halb ins Souterrain versenkt ist, umfasst 178 Quadratmeter, mit Lager und Garderobe sogar 264 Quadratmeter. Er ist bis zu 6,80 Meter hoch. Unter der Decke schweben Schallsegel, hinter den gerippten Wänden ist Stauraum für Noten, Pulte und andere Utensilien der Musizierenden. Die Platten der Wände, erklärt Michael Wölk vom Stadtbauamt, seien so gestaltet, "dass der Ton am Ohr ankommt, nicht die Reflexionen". Sie sollen, grob gesagt, das Echo verhindern.

Noch ist von der Akustik her aber nicht alles perfekt. Ein Probenraum sei in dieser Hinsicht "nicht nur gut oder schlecht", er müsse auch "passend" sein, sagt Bürgermeister Ingo Mehner (CSU). Schon bei der Planung sei dies "ein Herantasten" gewesen. Und das Austarieren des Klangs ist nun in der Praxis keineswegs abgeschlossen. Es sei "diffizil, die Akustik in einen Raum zu bauen, wenn die Hülle schon da ist", meint Kronwitter. Die Grundlautstärke sei zum Beispiel noch nicht optimal. Und der Klang der Musikerinnen und Musiker, die ganz am Rand sitzen, gehe nach oben weg, "das muss besprochen werden". Dem Akustiker sei mithin die Aufgabe gestellt, all dies zu prüfen, ergänzt Stadtbaumeister Ernst. Auch die Orchestermitglieder selbst müssen sich erst einmal eingewöhnen. Zu ihnen gehört Michael Lindmaier. Das gehe nicht so in ein, zwei, drei, auch nicht in vier oder fünf Wochen, sagt der Zweite Bürgermeister (FWG), der Trompete spielt. "Man braucht Zeit, bis man die Raumakustik gewohnt ist."

Nichtsdestoweniger gefällt der Tölzer Stadtkapelle ihr neues Zuhause. "Eine tolle Sache", sagt Dirigent Kronwitter. "Wir haben jetzt ganz neue Möglichkeiten", sagt Martin Schnitzer, Vorsitzender der Stadtkapelle. "Es ist viel besser als vorher", findet Trompeter Lindmair. Schließlich gibt es neben dem Probenraum auch ein Lager, so dass sich Noten, Pulte, Stühle nicht mehr stapeln wie in der Alten Madlschule, und einen Aufenthaltsraum mit Teeküche. Außerdem ist die Technik für CD-Aufnahmen bereits installiert. Nur eines ist für die 75 Mitglieder der Stadtkapelle und die 45 Nachwuchs-Musikanten der Jugendkapelle ein kleiner Nachteil: Der Standort ist nicht mehr im Zentrum, sondern am Stadtrand. Aber das dürfte für die meisten kaum mehr als eine Fußnote sein.

Aus der benachbarten Turnhalle dringt kein Geräusch durch die doppelten Wände in den Probenraum, ebenso wenig umgekehrt. Allerdings sei der multifunktionale Trakt für Sport, Musik und Schule durch eine einheitliches Farbkonzept miteinander verwoben, erklärt Stadtbaumeister Ernst. So gibt es überall helles Fichtenholz und den gleichen Kautschukboden. Der nächste Schritt soll nun der Bau der Aula sein, die den neuen Trakt mit dem Hauptgebäude der Jahnschule verbindet. Allerdings ist derzeit unklar, wie es mit dem zwölf Millionen Euro teuren Projekt weitergeht.

Das Problem: Das obere Geschoss des Erweiterungsbaus mit Klassenzimmern, Mittagsbetreuung und Funktionsräumen kann nicht fertiggestellt werden, weil das neue Dach undicht ist. Die schweren Baumängel wurden 2022 festgestellt, die geplante Fertigstellung im Herbst fiel flach, für den Winter musste ein Schutzzelt über den Trakt gezogen werden. Über den Streit der Stadt mit der beauftragten Dachdeckerfirma hat Bürgermeister Mehner derzeit nichts Neues zu erzählen. "Der Gutachter hat alles aufgenommen und ein Schadensbild erstellt, sein Gutachten ist fertig", berichtet er. Für den Sommer, meint Stadtbaumeister Ernst, werde man eine Interimslösung für den Pausenhof finden müssen. Die alten Punkthäuser mit den Klassenzimmern, die abgerissen werden sollten, dürften vorerst stehen bleiben. Aber all dieses Ungemach vermag Bürgermeister Mehner nicht die Freude zu trüben, als er der Tölzer Stadtkapelle beim Üben zuhört. "Der Probenraum schaut schön aus, aber es klingt noch besser, als er aussieht - ich bin überwältigt", sagt er.

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