Süddeutsche Zeitung

Tölzer Leonhardifahrt:Gefährlicher Galopp

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In der Nachbesprechung mit dem Historischen Verein treibt die Tölzer Leonhardifahrer vor allem der Beinahe-Unfall auf der Salzstraße bei der diesjährigen Traditionswallfahrt um. Einige Fuhrleute fordern, dass künftig nur noch im Schritt gefahren werden darf.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Die Leonhardifahrer sind Männer klarer Worte. Sie sagen, was sie meinen, und meinen, was sie sagen, das war bei der Nachbesprechung der Traditionswallfahrt am Montagabend im Gasthaus Zantl nicht anders. Die etwa 30 Fuhrleute hielten sich nicht lange damit auf, dass heuer alles gut gegangen war, immerhin 14 000 Zuschauer am Straßenrand standen und das Wetter nach anfänglichem Regen noch Sonne zu bieten hatte. Stattdessen befassten sie sich mit dem Beinahe-Unfall, der sich am Ende der Leonhardifahrt in der Salzstraße ereignete, wo ein Gespann gefährlich bergauf galoppiert war. "Wenn da einmal etwas passiert, dann können wir aufhören, dann ist auch das Weltkulturerbe weg", sagte Fuhrmann Werner Gorn aus Wackersberg beim Nachtarock, zu dem der Historische Verein im Oberland in Tölz wie jedes Jahr eingeladen hatte.

Die Pferde waren schon vor dem Khanturm ins Galoppieren geraten, der Gespannführer hatte alle Mühe, irgendwie noch die Kontrolle zu behalten. In der oberen Salzstraße fuhr er dann leicht auf den Truhenwagen von Christoph Manhart aus Böbing auf, in dem Schalkfrauen aus Reichersbeuern saßen. Der Wagen sei leicht beschädigt, "aber das kann man wieder richten", sagte Manhart. Vor allem sei niemand verletzt worden. Aber der Fuhrmann ärgerte sich sichtlich. Es gebe ja Leonhardifahrer, die ihren gefährlichen Galopp auch noch ins Internet stellten, "sie fahren da wie Ben Hur rauf und glauben noch, ich bin der Größte", schimpfte Manhart.

Mit dieser Kritik stand er nicht alleine da. Mehrere Fuhrleute verwiesen darauf, dass der eine oder andere Gespannführer in der oberen Marktstraße mit Absicht stehen bleibt, um den Abstand zum Vordermann zu vergrößern. So schafft er genügend Platz, um mit seinen Pferden und einem ratternden Truhenwagen in hohem Tempo die kopfsteingepflasterte, von zahlreichen Zuschauern gesäumte Salzstraße hinauf zu rasen. "Ein g'scheiter Fuhrmann fährt da nicht mal im Trab rauf, sondern Schritt", sagte Gorn. Diese Gangart fordert Rasso Babel junior aus Sachsenkam für alle künftigen Leonhardifahrten. Dabei handle es sich schließlich um eine Wallfahrt, sagte er. "Warum sagt die Stadt nicht, dass man Schritt fahren muss?"

Die Kritik von Fuhrleuten, die Stadt weise zu wenig auf das Verbot des Galopps hin und ziehe nur halbherzig Konsequenzen, mochten Leonhardi-Lader Anton Heufelder und die stellvertretende Kurdirektorin Susanne Frey-Allgaier nicht stehen lassen. "Es stimmt nicht, dass das nicht gesagt wird, das tun wir jeder Verlosung (der Zugreihenfolge, Anm. d.Red.)", sagte Frey-Allgaier. Für Heufelder hörte sich der Unmut der Gespannführer beinahe so an, als würde von den Organisatoren noch Reklame fürs Galoppieren gemacht. "Dabei sagen wir jedes Jahr, was gewünscht wird, was Sache ist", so Heufelder. Im Übrigen verwies er darauf, dass sich das Fahrverhalten in den vergangenen 30 Jahren "gewaltig geändert" habe - "ein paar Ausreißer gibt es immer".

Ganz auf die Seite der besorgten Fuhrmänner stellte sich Dritter Bürgermeister Christof Botzenhart (CSU). "Ihr habt völlig Recht, denn wenn etwas passiert, können wir uns das Unesco-Weltkulturerbe an den Hut schmieren, das interessiert keinen Staatsanwalt", sagt er. Auch für Stadtrat Josef Steigenberger (CSU) muss die Sicherheit gewährleistet sein. Allerdings erinnerte er daran, dass die Leonhardifahrer voriges Jahr selbst erklärt hatten, ein leichter Trab sei noch zu akzeptieren sei - "und jetzt ist es nur Schritt". 2018 passierte ein schwerer Unfall, als ein Vorreiter aus Lenggries beim Galopp vom Pferd fiel und sich das Schlüsselbein brach. Zusammen mit seinen beiden Kameraden durfte er dieses Jahr bei der Leonhardifahrt nicht mehr dabei sein. "Es gab aber genug Stimmen, die sich darüber aufgeregt haben, dass die Lenggrieser Vorreiter ausgeschlossen wurden", berichtete Frey-Allgaier.

Die Vorschläge der Fuhrleute sollen nun auch Thema bei der Nachbesprechung sein, zu der sich die Organisatoren der Stadt, Leonhardi-Lader, Teilnehmer, Polizei, Rotes Kreuz und Vertreter des Landratsamtes am 28. November treffen. Gorn meinte, es brächte schon viel, wenn die Gespanne einander folgten und nicht stehen blieben. Denn so fehle der Platz und damit der Schwung, um in den Galopp wechseln zu können. In diesem Zusammenhang lobte er, dass heuer drei Fanfarenreiter der Tölzer Stadtkapelle den Zug anführten. So sei die Leonhardifahrt zügig vonstatten gegangen. Die eigentlich vorgesehenen Vorreiter hatten "keine Pferde bekommen von den Leuten, die sie seit über 40 Jahren zur Verfügung stellen, aber da gab es einen Todesfall in der Familie", erklärte Heufelder.

Noch etwas trieb die Leonhardifahrer um. Weil in Bad Tölz immer mehr Gasthäuser schließen mussten, finden sie kaum noch Plätze für das Mittagessen nach der Fahrt. "Es ist extrem schade, dass in ganz Tölz keine Wirtschaft mehr ist, wo man reservieren kann", meinte ein Teilnehmer. Das sei in der Tat "ein erhebliches Problem", sagte Claus Janßen, Vorsitzender des Historischen Vereins. Den Vorschlag, die Gastwirte könnten ja Zelte aufstellen, beurteilte er skeptisch: "Welcher Wirt macht für einen Tag ein Bierzelt auf mit allem Drum und Dran?" Botzenhart griff den Rat eines Fuhrmanns auf, die Gaststätten an der Peripherie von Tölz zur Einkehr nach der Wallfahrt zu nutzen. Man könne ja ein Liste aufstellen, denn wer denke zum Beispiel schon ans Golfstüberl, sagte er. "Im Stadtzentrum ist es schwierig."

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Quelle:
SZ vom 13.11.2019
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