Süddeutsche Zeitung

Einsatz für die Schwachen:Wunschlos glücklich ist nicht genug

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Der Ickinger Michael Tetzner hat vor 20 Jahren eine Stiftung für Kinder gegründet. Mehr als 200 000 Euro an Spenden konnte er seitdem bereits akquirieren. Nun veranstaltet der Patentanwalt zusammen mit Hans Well und den "Wellbappn" ein Benefizkonzert

Von Susanne Hauck, Icking

Zwanzig Jahre lang hat Michael Tetzner am Adventsstand Glühwein ausgeschenkt, jetzt klebt er für einen Auftritt der Musikerfamilie Well Werbeplakate. Eine ungewöhnliche Freizeitbeschäftigung für einen gut verdienenden Patentanwalt.

Nur reiche alte Leute gründen eine Stiftung, lautet das Klischee. Der in der Gemeinde Icking wohnhafte Tetzner hat dies aber schon als recht junger Mann getan. Seine Stiftung nannte er "Große für Kleine". Die Sinnkrise, die dafür den Anschub leistete, fing mit Mitte 30 an, erzählt der heute 56-Jährige. Eigentlich war man arriviert und wunschlos glücklich, feierte gern, lud sich im großen Freundeskreis mehrmals im Monat gegenseitig ein. Und immer machte man sich die gleichen einfallslosen Geschenke, überteuerte Weine zum Beispiel, die ein paar Wochen später aus Verlegenheit wieder weiterverschenkt wurden. "Ich hatte ein Gefühl der Sättigung und suchte nach etwas Sinnhaftem", erinnert sich Tetzner, der in Solln aufgewachsen und später nach Irschenhausen gezogen ist, wo er heute mit seiner Familie lebt.

Die Initialzündung für das karitative Engagement ergab sich an seinem 35. Geburtstag, als es einmal nicht die obligatorische Flasche war, die ihm ein Partygast überreichte, sondern eine Spendenquittung für die Umweltorganisation Greenpeace. Vielleicht wäre es dabei geblieben, vielleicht hätte er nur jedes Jahr einen ordentlichen Scheck für einen guten Zweck ausgeschrieben und nie etwas allein auf die Beine gestellt, wenn er nicht ein paar Wochen später auf einer Skitour wegen des schlechten Wetters in einer Berghütte Zuflucht gesucht hätte. Anstatt des erwarteten Freunds machte aber dessen Bruder auf - Philipp Hof, zufällig der Gründer der Stiftung Kinderfonds, unter deren rechtliches Dach kleinere Treuhandstiftungen schlüpfen können.

So habe er das richtige Instrument für das Stiftungsehrenamt quasi vor die Füße gelegt bekommen, erzählt Tetzner. "Denn auf Bürokratie, Buchhaltung und Vereinsmeierei hatten wir keine Lust." Wir, damit meint er einen Freundeskreis von etwa einem Dutzend Leuten aus München und dem Isartal. Schnell war klar: Sie wollten Kindern und Jugendlichen unter die Arme greifen. "Die Schwächsten in der Gesellschaft brauchen unsere besondere Hilfe", sagt Tetzner. Seitdem hat "Große für Kleine" viele Projekte erfolgreich unterstützt: ein Waisenhaus in Nepal, ein Musikprojekt für Schüler in Tansania, eine Flüchtlingsstadt im Irak, Kinder- und Behindertenheime in Indien und Argentinien. Aber auch Projekte in Deutschland wie die Einrichtung "Atemreich" für intensivpflegebedürftige Kinder sowie verschiedene Münchner Jugendheime.

Mal sind es 20 oder 50 Euro, mal aber auch 500: Geld fließt vor allem, wenn Familie und Freunde bei Jubiläen und Geburtstagen auf Geschenke zugunsten von Spenden verzichten. Ganze 200 000 Euro kamen so in den vergangenen 20 Jahren den Kindern zugute. "Zum Glück habe ich einen riesigen, bunt gemischten Freundeskreis", sagt Tetzner. Viele kennt er noch aus der Schule, vom Studium oder vom Sport - der drahtige Mittfünfziger, der täglich von Irschenhausen in die Anwaltspraxis nach Solln radelt, segelt in seiner Freizeit nicht nur gern, sondern spielt auch Boule, Volleyball und Schach.

Doch für Tetzner ist es nicht mit dem Griff ins Portemonnaie getan. Bislang betreiben er und seine Freunde im Wechsel mit einem Fußball-Tippspiel alle zwei Jahre einen Glühweinstand in der Münchner Fußgängerzone, um den persönlichen Draht zu den Spendern zu schmieden. Seit die Stadt München die Stände für gemeinnützige Organisationen aber nur noch wochen- und nicht mehr tageweise vergibt, ist die Veranstaltung für die Stiftungsmitglieder zeitlich nicht mehr machbar. Ein Ersatz musste her - die Idee eines Benefizkonzerts kam auf. Ein Glück, dass der angefragte Hans Well mit seinen berühmten Wellbappn nicht lange überredet werden musste, ohne Gage aufzutreten. "Gemeinsam können wir das stemmen", ist Tetzner zuversichtlich, der auf sein Netzwerk baut, damit die Wells ihre "schön-bösen Lieder - für eine gute Sache" nicht vor leerem Saal spielen müssen.

Benefizkonzert "Hans Well & die Wellbappn" zugunsten der Stiftung "Große für Kleine" am Samstag, 19. Oktober, in der Heimatbühne Waldheim, Waldheim 1 in München-Fürstenried, Beginn: 20 Uhr. Karten zu je 25 Euro gibt es über E-Mail an benefizkonzert@grosse-fuer-kleine.de

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Quelle:
SZ vom 08.10.2019
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