Süddeutsche Zeitung

Serie "Wirtschaftswunder":"Ein Wirtshaus für´s ganze Leben"

Lesezeit: 3 min

Im Gasthaus zur Post in Egling gelingt derSpagat zwischen Tradition, Qualität und Moderne

Von Claudia Koestler, Egling

Bayerisch, gemütlich, traditionell und vor allem und sehr lebendig: Zwischen Kirche und Maibaum gelegen, bildet der Gasthof zur Post in Egling nicht nur geografisch das Herz der Gemeinde. Das Wirtshaus ist fest verwurzelt in der Dorfgemeinschaft, lockt aber zugleich Gäste bis aus der Landeshauptstadt und darüber hinaus. Hier gelingt der Spagat zwischen Tradition und modernem Anspruch, vor allem setzt die Wirtsfamilie höchste Qualitätsansprüche - ein Schlüssel zum Erfolg des Traditionsgasthauses.

Vieles geht Hand in Hand rund um den Eglinger Gasthof Post, einem liebevoll restaurierten Gebäude aus dem 18. Jahrhundert. Frühmorgens schon stehen die Kunden regelmäßig Schlange an der Metzgerei, die an die Gastwirtschaft angeschlossen ist. Vormittags genießen Stammtischler ihre Weißwürscht in der Stubn, mittags kehren Münchner Ausflügler und Ortsansässige ein, um einen reschen Schweinsbraten zu essen, am Nachmittag feiern Familien Taufe im Gewölbekeller der alten Kanzlei. Und abends probt die Blaskapelle im Saal, entspannen Geschäftsreisende im angrenzenden Drei-Sterne-Hotel oder feiern Hochzeitspaare in der Alm.

Früher habe man jemanden wie ihn "Kirchenwirt" genannt, "weil wir die Menschen das ganze Leben lang begleiten, von der Wiege bis zur Bahre", sagt Johann Oberhauser (55), Wirt des Gasthauses zur Post, das gerne auch einfach nur "beim Oberhauser" genannt wird.

Ursprünglich gehörte das Eglinger Wirtshaus der Schlossbrauerei Planegg. Der Großvater von Oberhauser, der aus der regionalen Wirtsdynastie der Lautenbachers entstammte, hatte die Gaststätte gepachtet. 1930 aber sei der damalige Brauereidirektor, Baron Hirsch, auf ihn zugegangen: "Haben Sie Geld, dann können Sie das Gasthaus kaufen", habe dieser gesagt, und nach einer Kunstpause angefügt: "Wenn Sie kein Geld haben, auch." Denn die Zeiten waren schlecht, der Baron musste das Wirtshaus dringend abstoßen. Weil die Familie damals bereits die angrenzende Landwirtschaft betrieb, entschloss sich Oberhausers Großvater zuzugreifen.

1958 übernahm dann Oberhausers Vater die Wirtschaft, und mit seiner Weitsicht und seinem Geschick brachte er sie richtig zum Aufblühen. "Er war sowohl ein sehr guter Metzger als auch ein sehr guter Wirt", weiß Oberhauser. Er baute die Metzgerei aus, lockte aber auch viele Ausflügler aus Nah und Fern nach Egling. "Er hatte sehr gute Ideen, zum Beispiel machte er richtiges Marketing mit seinen Schweinshaxen", erzählt Oberhauser. Denn so eine resche Schweinshaxe, das war damals in den 1960er Jahren eine Sensation. "Damit begann der Aufstieg, fast schon kometenhaft", sagt der Wirt: "Das hat g'fetzt, da gingen schon mal an einem Sonntag 200 Haxen weg", erinnert sich Oberhauser lachend.

In den 60er und 70er Jahren aber flogen die Leute auch noch nicht übers Wochenende nach Mallorca, man unternahm mehr Ausflüge in die Region. Heute sind die Voraussetzungen für Wirte andere, und sie müssen neue Konzepte für den Erfolg finden. Deshalb sei es so wichtig, ständig in Bewegung zu bleiben und den Markt genau im Blick zu haben, sagt Oberhauser, der 1993 den Betrieb von seinen Eltern übernahm. "Man muss heute Genuss liefern und den Menschen Gründe geben, essen zu gehen, also Alleinstellungsmerkmale schaffen", sagt Oberhauser. Und: "Qualität ist dabei die oberste Prämisse."

Eigene Schlachtung und Herstellung von Fleisch- und Wurstwaren in Handwerkstradition bilden eine Basis seines Erfolgs, Oberhausers Produkte sind vielfach ausgezeichnet und prämiert, die Weiß- und Stockwürste nachgerade berühmt. Beim Wettbewerb "Bayerische Küche" erhielt Oberhauser bereits Gold, und gerade wurde er mit dem Zertifikat "Stern der Gastlichkeit" ausgezeichnet. Das Gemüse bezieht er bei Bauern der Region: "So weit wie möglich regional und saisonal zu kochen ist für uns eine Selbstverständlichkeit." Wie auch ökologische Verantwortung: Seit Ende des vergangenen Jahres wird das gesamte Objekt mit selbst erzeugten Hackschnitzeln geheizt, das Haus trägt das Umweltsiegel in Gold. Darüber hinaus bietet Oberhauser Veranstaltungen: Jeden Sonntag von 16 Uhr an etwa ein Sonntagsbuffet, bei dem man zu äußerst günstigen Preisen die Spezialitäten probieren kann und noch genug Zeit hat, als Ausflügler nach München zu fahren. Ein Renner ist das Ochsenschlachtfest: "Wir können das richtig kochen und richtig tranchieren, und es trägt zum Erfolg bei, dass wir wissen, was wir anbieten", sagt der gelernte Metzger. "Wir wollen das Traditionelle erhalten, aber eben den sich wandelnden Geschmäckern auch etwas anbieten." Auch wenn die berühmte Schweinshaxe immer auf der Speisekarte steht, finden sich längst auch leichtere Gerichte darauf, Fisch aus dem eigenen Weiher und vegetarische Spezialitäten etwa.

Im Lokal haben etwa 130 Personen Platz, im Saal etwa 150. Eine Besonderheit zudem: Hinter dem Gasthaus gibt es noch einen Biergarten und eine Alm, die gerne für Veranstaltungen genutzt wird. Vor allem laufe das inzwischen auf 80 Betten ausgebaute Hotel sehr gut. Man müsse aber eben immer am Ball bleiben: "Wenn du einmal das Denken aufhörst, bist' weg", weiß Oberhauser. Der Erfolg stehe und falle auch mit dem Personal: "Gute Leute sind Edelsteine."

Für die Zukunft scheint die Eglinger Post bestens gerüstet. Außerdem steht mit Oberhausers Kindern bereits die nächste Generation parat, "auch wenn ich selber noch viele Pläne habe", wie er augenzwinkernd sagt.

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SZ vom 20.06.2015
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