Süddeutsche Zeitung

Seltene Einblicke:Welthits aus Benediktbeuern

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"Carl Orff und die Carmina Burana": Eine Ausstellung der Fachberatung Heimatpflege im Kloster. Kurator Stefan König hat vielfältige Exponate zusammengetragen - vom Autograf bis zum Wanderstiefel

Von Sabine Näher, Benediktbeuern

Der Name des oberbayerischen Klosterdorfs Benediktbeuern ist heute weltweit bekannt, und das verdankt sich alleine dem Umstand, dass der 1895 in München geborene Komponist Carl Orff 1934 in einem Würzburger Antiquariatskatalog zufällig auf eine Sammlung mit der Bezeichnung "Lieder aus Benediktbeuern" oder "Carmina Burana" stieß. Dies weckte umgehend seine Neugierde und entflammte bei näherem Hinsehen seine Fantasie. "Bild und Worte überfielen mich", notierte Orff.

Nun muss man wissen, dass diese mittelalterliche Handschrift, die bei der Säkularisation 1803 aus dem Kloster Benediktbeuern nach München gelangte, alles andere als kirchliches Gedankengut transportiert. Hier ist das pralle Leben dargestellt, und zwar in all seinen Exzessen: Fressen, Saufen, Sex. Pardon für diese Sprachwahl, doch sie alleine ist der Sache angemessen. Und Orff ist es unnachahmlich gelungen, diese Sinnlichkeit in Musik zu setzen. 80 Jahre nach der Uraufführung der Carmina Burana beleuchtet eine Ausstellung in Meierhof des Klosters nun die Herkunft, Entstehung und Nachwirkung des Werks. "Ich bin kein Musikspezialist, aber ich habe mich viel mit Orff befasst, mehrfach seine Witwe Lieselotte am Ammersee besucht und stand dort auch in seinem Arbeitszimmer", erzählt Stefan König, Kulturschaffender aus Penzberg und Kurator der Ausstellung. Seit Mai hat er geplant und Exponate zusammengetragen. Unterstützung erfuhr er durch das Orff-Zentrum München, die Carl-Orff-Stiftung Dießen, das Klosterarchiv Benediktbeuern und das Studio 49, eine Firma in Gräfelfing, die von jeher das Instrumentarium des Orffschen Schulwerks produziert.

Und so ist ein Faksimile der Partitur ausgestellt, die Orffs akkurate, wie gedruckt wirkende Handschrift sehen lässt. Daneben liegen die geliebte Pfeife und ein Päckchen Tabak der Marke "Three Nuns". Beides Originale, wie König betont. Zu sehen ist die Erstausgabe der "Carmina" aus dem Jahre 1847, deren Publikation durch den Germanisten und bayerischen Sprachforscher Johann Andreas Schmeller von keinem Geringeren als Jakob Grimm angestoßen wurde. Natürlich sind beide Herren auch im Portrait zu bewundern. Da Ludwig Steub in seinem 1862 erschienenen, viel gelesenen Buch "Wanderungen im Bayerischen Gebirge" auch den "Codex Buranus" erwähnt, wird auch ihm gehuldigt - nebst historischem Wanderschuh, der schwerer zu besorgen gewesen sei als manches Autograf der Ausstellung, wie König schmunzelnd berichtet.

Zu diesen Autografen zählt ein Brief Orffs an den Bamberger Staatsarchivar Michael Hofmann, der mit seinen exzellenten Lateinkenntnissen Übersetzungen anfertigte und den Komponisten bei der Textauswahl beriet. Auch Pressereaktionen auf die Uraufführung in Frankfurt 1937 sind zu sehen. Nur "als Kuriosum zur Kenntnis nehmen" könne man dieses Werk, urteilte der Völkische Beobachter. Es sei höchst zweifelhaft, ob jemals mit einer Popularität dieser Carmina Burana zu rechnen sei, befand die Kölnische Zeitung - und lieferte damit eine der eklatantesten Fehleinschätzungen der Zeitungsgeschichte. Weitsichtig dagegen das Urteil des Komponisten: "Alles, was ich bisher geschrieben und was Sie leider gedruckt haben, können Sie nun einstampfen! Mit Carmina Burana beginnen meine gesammelten Werke", schrieb Orff 1937 an seinen Verleger Schott.

Es gibt unzählige Bearbeitungen des Werks für alle möglichen Besetzungen; bildende Künstler haben ihre Sicht auf die Carmina festgehalten, so der Iffeldorfer Grafiker Egbert Greven, der in der Schau mit zwei Karikaturen vertreten ist. Der legendäre Jean-Pierre Ponnelle verfilmte das Werk 1975 mit den damaligen Sängerstars Lucia Popp und Hermann Prey. Dass dies eine die Zeiten überdauernde Umsetzung des Stoffs mit seiner derben Sinnlichkeit geworden ist, zeigen Ausschnitte daraus in einem 15-minütigen Film, der auch O-Töne Orffs enthält. Diesen sollte man sich beim Besuch der sehenswerten Ausstellung keinesfalls entgehen lassen.

Carl Orff und die Carmina Burana: Eröffnung Sonntag, 5. November, 17 Uhr; bis 17. Dezember; Fachberatung Heimatpflege, Michael-Ötschmann-Weg 4, Benediktbeuern

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SZ vom 04.11.2017
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