Süddeutsche Zeitung

Schlauchbootfahrer auf der Isar:Aufblasen und Aufpassen

Lesezeit: 3 min

Fabian Unger vom Landesbund für Vogelschutz will, dass die Freizeitkapitäne auf die Natur achten. Dafür wendet er einen Trick an: Sie dürfen seine Luftpumpe benutzen, während er die wichtigsten Regeln erklärt.

Von Thekla Krausseneck, Wolfratshausen

Darauf muss man erst mal kommen: Der seltene Flussregenpfeifer, ein kleiner Vogel mit schwarzer Halskrause, legt seine Eier nicht in ein Nest, sondern mitten in den Kies der Isar, und brütet sie da auch gleich aus. Nähert sich ihm ein Mensch, flüchtet er, und die Eier kochen in der Sonne. Deshalb sollen Bootsfahrer auf ein blaues Schild mit einem weißen Vogelsymbol achten, sagt Fabian Unger: Dies sind die Schilder, die der Landesbund für Vogelschutz (LBV) an Kiesinseln aufstellt, die als Brutstätten bekannt sind.

Abgebildet sind die Brutinseln auch auf einer Schatzkarte, die Unger Schlauchbootfahrern reicht, die am Samstag in der Pupplinger Au auf der Isar losfahren. Das Wetter ist perfekt für einen Ausflug auf dem Wasser: Die Sonne knallt vom blauen Himmel, manche nehmen vor dem Losfahren noch ein Bad im Fluss. Unger - Backenbart, Sonnenbrille im Haar und auf dem T-Shirt einen blauschwarzen Eisvogel - erwartet die Ausflügler mit einem Angebot. Sie dürfen zum Aufpumpen ihrer Schlauchboote seine effizienten Doppelhubpumpen verwenden, wenn sie ihm unterdessen zuhören. Was sich lohnt: Von einem im Kies brütenden Vogel etwa haben die wenigsten jemals zuvor gehört.

Vor jeder Gruppe klärt Unger einen Irrglauben auf. "Es stimmt nicht, dass der LBV nicht will, dass auf der Isar Schlauchboot gefahren wird", sagt er zu Lino Alicandro und seinen fünf Begleitern. "Dieses wunderschöne Gebiet soll genutzt werden. Es ist ganz wichtig, dass die Leute diese Naturerfahrung machen können." Doch dazu müssen sie sich an die Regeln halten, zu denen zählt, keinen Müll herumliegen zu lassen, nicht im Naturschutzgebiet zu kampieren und vor allem kein Feuer zu entfachen. Wie sich herausstellt, sind diese Themen auch Alicandro ein Anliegen. "Ich finde es wichtig, dass man die Leute abholt", sagt er, und erzählt, wie er neulich ein paar Halbstarke gesehen habe, die in München eine Plastikflasche in die Isar warfen. Von Unger lässt er sich einen Flyer mitgeben, um den LBV zu unterstützen.

Zu warm zum Wandern

Mit Paddeln, Keksen, Bier und Fleischpflanzerln brechen diese sechs Ausflügler an der Marienbrücke in Wolfratshausen zu ihrer Isarreise auf: Hermann, Lena, Nine, Luki, Buchi und Schölli wollen auf diese Weise den Sommer genießen. Für die jungen Münchner ist das Besondere daran, dass sie nicht weit fahren müssen, um die Natur zu erfahren. Zum Wandern sei es zu warm, sagt Hermann, da halte sich die Clique lieber in Wassernähe auf. "Aus der Stadt in die Stadt", witzelt er. Ungers Belehrung nehmen die Sechs mit Interesse auf - ganz besonders die Information, dass es noch vor München, nämlich bei Schäftlarn, einen weiteren offiziellen Grillplatz gibt. Im Naturschutzgebiet weder ein Feuer zu entzünden noch den Müll liegen zu lassen, das sei für sie selbstverständlich, sagt Hermann. Kurz vor zwei Uhr am Nachmittag macht es sich die Gruppe auf ihren Schlauchbooten bequem: "Wir liegen gut in der Zeit." thek

Schon mal gekentert

Endlich wieder rauf auf die Isar: Wegen des verregneten Sommers 2016 ist es für Andreas Knauer (rechts) schon zwei Jahre her. Mit einer großen Kunststoffkiste voll Verpflegung bricht er am Samstagmittag mit Manfred Schacht (von links), Thomas Karl und Michael Schönlein nach Pullach auf. Mit der Isar kennen sich die Freunde aus - dass sie manchmal so seicht sein kann, dass sie fast stillsteht, und dann wieder so schnell, dass man sogar aus dem Boot fliegt. "Wir sind schon mal gekentert", sagt Knauer. Deshalb gehört zur Ausrüstung außerdem ein Handtuch. thek

Lange geplant

Robert Schneider (von links), Rositsa Doneva, Miranda Hochberg und Lino Alicandro lauschen dem Vogelschützer Fabian Unger, der sie für das hochwertige Isargebiet sensibilisiert. Alicandro wollte seine Freunde schon länger mit auf diese Bootsfahrt nehmen, vergangene Woche waren sie wegen des Hochwassers lieber zu Hause geblieben. Am Samstag stimmen sowohl Wasserpegel als auch Wetter. "Wir wollen zusammen etwas erleben", sagt Alicandro, "und das hier ist anders als zu wandern. Es bringt Abwechslung ins Spiel." thek

Es ist Alicandros erste Fahrt auf der Isar, das Schlauchboot dient normalerweise seinem einjährigen Sohn als Hüpfburg. Nun soll die Hüpfburg zur Jungfernfahrt aufbrechen, eine gut fünfstündige Reise bis nach München steht der gut gelaunten Gruppe bevor. Die Taschen sind gefüllt mit Wasser, Bier, Brezen, Pfefferbeißern und Obst, die Boote sind aufgepumpt, es kann losgehen. Unger gibt noch eine Warnung mit auf den Weg: Ein Stück flussabwärts habe sich ein Totholzhaufen gebildet, ein Baum liege quer. Da sei vorausschauendes Fahren geboten, die Gruppe soll lieber einen großen Bogen um das Totholz machen.

Unger, der die Maßnahme im Rahmen des Projekts Alpenflusslandschaften initiiert hat, ist früh aufgestanden. Um 9 Uhr morgens steht er bereits an der beliebten Abfahrtstelle an der Marienbrücke bei Wolfratshausen, bis zum frühen Nachmittag sensibilisiert er mehr als 100 Bootsfahrer. Er hält seine Schatzkarte hoch und sagt Dinge wie: "Ihr habt eine lange Strecke und das Ickinger Wehr zu bewältigen." Da hören die Leute gerne zu - schließlich sind die Schlauchbootfahrer in der Regel keine Profis, viele fahren zum ersten Mal auf der Isar. Unterstützt wird Unger von Heribert Gobitz-Pfeifer und Stefan Schmidt vom Bayerischen Kanu-Verband. Die haben mit den Natur- und Vogelschützern mehr gemeinsam, als man zunächst denkt: Ein Kanufahrer wolle ja gerade die reine Natur erleben, welche der LBV schützen wolle, sagt Gobitz-Pfeifer.

Wer in der Pupplinger Au losfährt, der erreicht so ein Gebiet bereits nach 200 Metern. "Ein hochwertiger Bereich", sagt Unger, "so hat die Isar früher ausgesehen, von Freising bis ins Gebirge hoch." Durch den Bau des Sylvensteinspeichers habe sich landschaftlich viel verändert.

Damit das Feuerverbot im Naturschutzgebiet eingehalten wird, gibt es Bereiche, in denen das Grillen erlaubt ist. Eine aufgedrehte Gruppe junger Leute freut sich über die Information, dass sich diese Grillplätze nicht nur in München befinden. Bei Flusskilometer 169 nahe Schäftlarn gibt es laut Unger auch einen Platz. Unnötig also, sich auf einer Kiesbank in der Isar niederzulassen, um zu grillen - und dabei vielleicht einen Flussregenpfeifer zu vertreiben, der auf diese Weise seine Brut verliert.

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Quelle:
SZ vom 07.08.2017
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