Süddeutsche Zeitung

Schlagabtausch:Derblecken im Mittelzentrum

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Der Wolfratshauser Ludwig Gollwitzer und der Geretsrieder Ludwig Schmid treten beim Maibockanstich erstmals gemeinsam als Engel Aloisius und Bruder Barnabas auf. Ein überfälliges interkommunales Scharmützel.

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

Wiggerl und Wiggerl beim Maibock vereint: Warum haben sich die beiden Lästermäuler Ludwig Schmid alias Bruder Barnabas und Ludwig Gollwitzer in der Rolle des Engels Aloisius eigentlich nicht schon vor zehn Jahren zum kongenialen gegenseitigen Derblecken der hiesigen Kommunalpolitik zusammengefunden? Und warum sind die Wolfratshauser Stadtkapelle und die Gartenberger Bunkerblasmusik bisher noch nie gemeinsam mit Schall und Klang und Radetzkymarsch in die Loisachhalle einmarschiert? Das hochprozentige interkommunale Ereignis am Samstagabend in der Loisachhalle war längst überfällig und ein gelungener Beitrag zur Entspannung zwischen den beiden Städten, die sich nicht immer nur grün sind. Dementsprechend fehlte es nicht an Anspielungen, Frotzeleien und kleinen Gemeinheiten, die aufmerksam registriert wurden, auch und besonders von der Geretsrieder Fraktion im Saal.

Wie die beiden Lager zahlenmäßig verteilt waren, hatten die beiden Protagonisten vorab schnell herausgefunden: Als Aloisius die Frage in den Raum stellte, "wer jetz vo uns is", erhob sich lautes Kreischen zwischen den Wolfratshauser Tischreihen, was den Bruder Barnabas prompt zur analogen Frage an seine Geretsrieder Anhängerschaft motivierte. Von der diesmal noch deutlich vernehmlicheren Reaktion ließ sich Aloisius indes nicht beirren: "Bloß, weil's lauter war'n, miaßn's no lang net mehra sei" - das allseits beschworene Mittelzentrum, wie es leibt und lebt.

Von da an ging es handfest zur Sache. Nach einem kleinen Seitenhieb auf die Künstlergarderobe im Geretsrieder Ratsstubensaal ("Abstellkammer ohne funktionierendes Klo") war es nur ein kurzer Schritt zur leidigen Wolfratshauser Parkplatzdebatte. Als Bruder Barnabas laut darüber nachdachte, wo man in der Loisachstadt eigentlich noch mit seinem Auto stehen könne und zu dem Schluss gelangte, dass dies nur im Verkehrsstau der Fall sei, reagierte Aloisius mit der These, "dass ma bei eich nur deswegen an Parkplatz findet, weil in Geretsried nix los is". In Geretsried sei immer noch mehr los als in der Wolfratshauser Einbahn-Marktstraße, in der es nicht mal mehr ein Kaufhaus gebe, konterte Banabas. Der Engel Aloisius zog mit Blick auf die Großbaustelle am Karl-Lederer-Platz wiederum die Schlussfolgerung: "Bei uns kann man wenigstens durchfahren - bei euch kann man nicht mal reinfahren, dass man durchfahren könnte."

An Stoff für allerlei Bosheiten fehlte es weiterhin nicht. Als Aloisius den "wunderbaren Brunnen" im Wolfratshauser Stadtzentrum pries, während Geretsried da nur "ein kleines Bacherl" vorzuweisen habe, würdigte Barnabas das Geretsrieder Eisstadion, dem Wolfratshausen lediglich "ein kleines Eisrutscherl" an der Alten Floßlände entgegenzusetzen habe. Nach einer kurzen Abschweifung über die Schneebeseitigung im Winter, die beim Geretsrieder Eisstadion doch nur deshalb problemlos sei, weil es dort halt kein Dach mehr gebe, leitete der Klosterbruder im Büßergewand das Gespräch schließlich generell auf die bauliche Situation der beiden Städte, die dadurch gekennzeichnet sei, "dass unsere Bunker halt noch stehen im Gegensatz zur Wolfratshauser Burg". Das Argument des Engels Aloisius, Wolfratshausen könne schließlich nichts dafür, "dass da seinerzeit halt der Blitz neig'haut hat", ging im allgemeinen Geretsrieder Johlen unter. Da musste Aloisius schon mit schwerem Geschütz dagegenhalten: den erfolglosen Geretsrieder Geothermie-Bohrungen. Barnabas wusste die Attacke indes elegant zu parieren: "Jaja, i woaß scho, es is nur hoaße Luft kemma - mia ham einfach zu nah an Wolfratshausen gebohrt." Nach Erörterung der für beide Städte identitätsstiftenden Frage, ob die Loisach von der Isar oder die Isar von der Loisach geschluckt wird , einigten sich die Kontrahenten schließlich weise auf einen Nenner: dass sich die beiden Flüsse halt vereinigen. Das triumphierende letzte Wort behielt dann aber doch der Engel Aloisius: "Ja, sie fließen zusammen. In Wolfratshausen."

Nachdem das wirklich Wichtige zwischen den beiden Städten innerhalb einer knappen Stunde abgehandelt war, blieb die Frage, was so ein gemeinsames Mittelzentrum, als "eine Macht im Norden" des Landkreises, denn für Vorteile hätte. In einem aufwühlenden Schlussdialog mit den Gästen galt es, vier zentrale Fragen zu beantworten: "Wer is guad? Wer hoit zamm? Wer zoagt's die Tölzer und: Wer sauft jetzt aus?" Na klar: "Mia mit'nand".

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SZ vom 13.05.2019
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