Süddeutsche Zeitung

Bildende Kunst:Kopfmäntel aus Draht und leuchtende Farbräume

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Monika Supé und David John Flynn stellen bei der Penzberger Kunstzeche aus - ein Parkour für die Augen.

Von Anja Brandstäter, Penzberg

Ein kleines Haus sitzt auf einem quadratischen Sockel. Es ist etwa 20 Zentimeter hoch, Dach und Wände sind aus feinem Draht gehäkelt, es kommt ohne Fenster und Türen aus. Doch aus seiner Vorderseite ragen sieben Reusen, die fast alle über den weißen Sockel hängen. "Reusenhaus 10" heißt das Werk von Monika Supé aus dem Jahr 2015. Was dieses Haus einfängt, bleibt der Fantasie des Betrachters überlassen.

Supé ist Architektin, nicht nur von Häusern, sondern auch von Objekten aus feinem Draht, die sie in Feinarbeit häkelt. Dem geht eine genaue Studie mit dem Stift voraus: "Beim Zeichnen wird das Denken immer präziser", sagt sie. Da ihr Werkstoff eher sperrig ist, muss Supé zuerst ein klares Konzept entwickelt haben, denn die Drahtmaschen lassen sich nicht mehr auftrennen.

Neben Supés Objekten in unterschiedlichen Größen und Grautönen entwickeln die Bilder von David John Flynn ihre volle Strahlkraft. "Der künstlerische Ansatz der beiden könnte unterschiedlicher nicht sein", sagt Kuratorin Gisela Geiger von der Kunstzeche Penzberg. Und genau das ist es, was die Ausstellung "Supé/Flynn" im Museum Penzberg - Sammlung Campendonk so spannend macht. Sie ist ein berauschender Wahrnehmungsparkour.

"Die Bilder von David John Flynn brauchen Zeit" sagt Gisela Geiger. "Wenn man länger darauf schaut, werden die Farben noch kräftiger." Der in München lebende Künstler hat eine spezielle Technik entwickelt, bei der sich Pigmente mit Wachs und Harz des Dammarbaumes verbinden. In mehreren hauchdünnen Schichten legt er die Farben übereinander, so dass ein mehrdimensionaler Raum entsteht.

In einigen Werken erkennt man geometrische Formen wie Kreise oder Dreiecke. Die abstrakten Bilder sind ein Farbenrausch aus Gelb, Magenta oder Türkis. "Meine Arbeit wird in der Konstruktion einer visuellen Sprache unterstützt durch eine Bibliothek von Schablonen", erklärt der gebürtige US-Amerikaner. "Die Gemälde entstehen durch die Verwendung, Wiederverwendung und Verzerrung dieser Elemente." Seine Bilder auf Leinwand tragen keine Titel, lediglich das Datum ihrer Entstehung ist vermerkt. "Die Werke lernt man auch beim Ausleuchten kennen", sagt Gisela Geiger und deutet auf ein großformatiges Bild aus gelben Strukturen. Von oben sind zwei Scheinwerfer auf das Gemälde gerichtet.

Gleich daneben quillen aus einem weißen Rahmen gehäkelte Drähte in unterschiedlichen Längen. "Zeitlang" heißt das Werk von Monika Supé. Geschaffen hat sie es in den vergangenen Monaten. In diesem Jahr hat sie auch schon zwei große Kopfmäntel gehäkelt, ein erster entstand 2017. Hierbei handelt es sich um Kopfbedeckungen, die keine Öffnungen für Augen und Mund aufweisen. Die drei Werke stehen nebeneinander, präsentiert auf mannshohen Stahlgerüsten, die in schweren Betonsockeln münden.

Alle drei Kopfmäntel sind völlig unterschiedlich: Während ein Exemplar auch die Schultern einbezieht, entspringt dem anderen ein langes Häkelseil, und am dritten hängen tentakelähnliche Schläuche. Filigranes Maschengewebe, drahtige Hüllen, die durch Hineinschlüpfen gefüllt werden können.

Und noch ein Objekt sticht im Erdgeschoss ins Auge: ein Drahtkleid, angepasst an den weiblichen Körper mit Abnähern. Es endet am Hals, der in ein Rückgrat übergeht, das sich meterlang am Boden schlängelt. Da scheint etwas herauszufließen. Und wieder gleitet der Blick durch das durchsichtige Maschenkleid auf ein zartes Gemälde von David John Flynn in Hellgelb und Grautönen.

Beide Künstler haben auch Werke in anderen Techniken ausgestellt. So zeigt Flynn Digitaldrucke mit pigmentierten Tinten auf Arches Museums Velix Papier. Supé hat Tuschezeichnungen mitgebracht. Auch hier formen Maschenstrukturen Körper und Läsuren und verweisen auf ihre labile Existenz.

Ganz oben im Dachgeschoss kann man weit in die Berge blicken. Dort finden sich auch Drahtkugeln, die Supé gehäkelt und "Endlos" genannt hat.

Die Ausstellung ist bis 11. Juni im Museum Penzberg-Sammlung Campendonk zu sehen.

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