Süddeutsche Zeitung

Neue Technik in Geretsried:Elektronik gegen die weiße Gefahr

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Die Stadt hat auf den Dächern von fünf Kommunalen Gebäuden Schneewächter installiert. Sie berechnen die Last im Winter und warnen automatisch per Funk, sobald sie problematisch wird

Von Nora Schumann, Geretsried

Auch wenn es nach dem heißen Sommer beinahe vergessen sein mag: Im vergangenen Winter ist der Landkreis von Schneemassen lahmgelegt worden. Einen "Katastrophenfall" wie im Januar wird künftig zwar weiterhin kein Mensch verhindern können. Die Stadt Geretsried will dafür aber wenigstens vorbereitet sein. So hat der Stadtrats beschlossen, ein Mess-System für Schneelasten anzuschaffen, das nun auf kommunalen Dächern installiert wurde.

58 000 Euro haben die fünf Messstationen auf den Dächern der drei Turnhallen in Gelting, an der Adalbert-Stifter-Schule und der Ledererschule sowie auf der Feuerwehr Nord und dem Jugendzentrum Einstein gekostet. Fünf Standorte seien notwendig gewesen, weil es in den Geretsrieder Stadtteilen mikroklimatische Unterschiede gebe, erklärt Bürgermeister Michael Müller (CSU) bei der Präsentation des Schneewächters auf dem Dach des Feuerwehrhauses.

Feuerwehrkommandant Erik Machowski zeigt sich sehr zufrieden über die Dachwaagen: "Das ist eine präventive Maßnahme, die uns helfen wird, Entwicklungen zeitnah zu erkennen." Bislang seien die Mitarbeiter im Winter auf das Dach emporgeklettert und hätten mit einer Röhre den Schnee ausstechen müssen, ergänzt Sebastian Irmler, Bautechniker der Stadt Geretsried. Mithilfe einer Waage und einer Umrechnungstabelle sei dann die Masse des ausgestochenen Schnees gemessen worden, erklärt er. "Wir waren tagelang nur mit Schneemessung beschäftigt."

Mit der umständlichen und gefährlichen Messarbeit ist nun Schluss: Die neuen Schneewächter wiegen die Schneelast, berechnen die Belastung pro Quadratmeter und schicken per Funk die Messdaten direkt auf einen Server. Von dort können Mitarbeiter der Stadt mit den richtigen Zugangsdaten alle Informationen einsehen. Bei einer Schneelast von 80 Kilogramm pro Quadratmeter bekommen fünf Mitarbeiter der Bauverwaltung eine Warnung aufs Smartphone geschickt, ab 100 Kilogramm ist Alarmstufe rot erreicht.

"Viele Menschen fragen sich, warum man nicht einfach die Schneehöhe messen kann", sagt Tom Roßhuber, Entwickler der Schneewächter bei der Firma roofguards. Aber Schnee habe je nach Aggregatszustand ein ganz unterschiedliches Gewicht. "Eine Zehn-Zentimeter-Eisschicht kommt auf rund 100 Kilogramm pro Quadratmeter. Zehn Zentimeter Neuschnee wiegen fast gar nichts", erklärt Roßhuber.

Beim Schneewächter sorgen drei gegenüberliegende Messzellen für eine reibungslose Überwachung. Die Installation ist gegen Überraschungen gesichert: Drei massive Betonklötze halten das leichte Waagenkonstrukt bei starkem Wind. Sollte die Funkverbindung abbrechen, weil beispielsweise die Stromleitung beschädigt ist, sendet der Wächter ein Signal an den Server. Die blaue Heizschleife am unteren Rand der Konstruktion sorgt dafür, dass genügend Spielraum für die Schwingungen des Korpus bleibt. "Wenn man einen Holzscheit unter eine Waage klemmt, misst die auch nichts mehr", erklärt Roßhuber. Die Messgeräte seien sogar schon auf der Zugspitze bei neun Metern Schneehöhe getestet worden, sagt er.

Ganz so viel Schnee wird in Geretsried vermutlich nicht gemessen, aber "die Gefahr, das nicht mehr packen zu können", besteht nach Ansicht Irmlers nicht mehr.

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Quelle:
SZ vom 28.09.2019
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