Süddeutsche Zeitung

Musikkapelle Holzhausen:Die Pionierin

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Die 22-jährige Lisi Hinterholzer ist die erste Dirigentin im regionalen Bezirksmusikverband. Am Wochenende gibt sie zwei Konzerte

Von Benjamin Engel, Münsing

An manche Blicke und Reaktionen des Publikums muss sich Lisi Hinterholzer noch gewöhnen. Die 22-jährige Frau mit den hellblonden Haaren hat das am Festumzug auf dem Münchner Oktoberfest erst wieder bemerkt. Dort führte sie die Musikkapelle Holzhausen an und fiel als Frau auf. Denn bei den Blaskapellen im Oberland dominieren männliche Orchesterleiter. Dirigentinnen sind noch selten. Im Bezirksmusikverband Isar-Mangfall ist Hinterholzer sogar die erste und einzige. "Ich sehe mich trotzdem nicht als Pionierin", sagt die junge Frau aus Attenkam bei Holzhausen. Bei den notwendigen Dirigierkursen habe es schon mehrere Frauen gegeben. "Nur im Oberland ist das noch nicht so gängig."

Bei den Herbstkonzerten der Musikkapelle Holzhausen am Freitag und Samstag wird Hinterholzer wieder im Fokus stehen. Erstmals dirigiert sie das Orchester bei dessen Höhepunkt im Konzertjahr. "Darauf bin ich gespannt, und ich bin auch nervös", gibt die junge Frau zu. Denn für Musiker und auch Zuschauer sei es immer noch ungewöhnlich, dass eine Frau am Dirigentinnenpult stehe. Langfristig werde sich das Geschlechterverhältnis aber die Waage halten, glaubt sie.

Im Musikbund von Ober- und Niederbayern sind unter den 630 gemeldeten Dirigenten derzeit 115 Frauen. Die Tendenz steige, sagt Geschäftsführer Andreas Horber. Beim Nachwuchs der Laienorchester unter 18 Jahren seien die Mädchen schon in der Überzahl.

"Die soziale Komponente"

Ausgeglichen ist das Verhältnis von Frauen und Männern unter den mehr als 50 Musikern der Holzhauser Musikkapelle. Unter allen spüre sie großen Rückhalt, sagt Hinterholzer. Obwohl sie sich als sehr ehrgeizig beschreibt, sei es nie ihr Ziel gewesen, Dirigentin zu werden. Von den Vorstandsmitgliedern sei sie vielmehr gefragt worden. Entscheidend für die Spitzenstellung sei ein Gespür für Menschen. "Die soziale Komponente ist das A und O." Es komme darauf an, mit der nötigen Strenge aufzutreten und trotzdem locker zu bleiben.

Mit fünf Jahren hat Hinterholzer ihr erstes Instrument, eine Blockflöte, zu spielen begonnen. Allerdings war ihr das nicht genug. Als ihr Onkel Anton - damals Vorstand der Musikkapelle - der Neunjährigen erzählte, dass ein Baritonhorn gebraucht werde, fing sie damit an. Eine unübliche Wahl für ein Mädchen, sind doch die tiefen Blechblasinstrumente hauptsächlich bei Buben und Männern beliebt. In Proben saß Hinterholzer dann schon einmal unter lauter männlichen Musikern. Weil die es gewohnt waren, untereinander geschlechtsspezifische Witze zu machen, sei das anfangs nicht immer einfach gewesen. So habe sie aber Schlagfertigkeit gelernt, die ihr heute nütze.

Bis 2009 hatte Franz Haidu die Holzhauser Musikkapelle dirigiert. Er habe sie anfangs gefördert, sagt Hinterholzer. Nach Anfängen in der Jugendkapelle spielte sie später bei Haidus Nachfolger Bernhard Ludwig Reiser bei den Erwachsenen mit. Im Musikbund für Ober- und Niederbayern legte sie das Bronze-, Silber- und Gold-Abzeichen ab. Zu den Prüfungen spielte sie vor angehenden Dirigenten. "Das habe ich sehr interessant gefunden und gedacht, das probiere ich aus", beschreibt Hinterholzer ihren Impuls, sich für einen Dirigierkurs anzumelden.

Im Jahr 2015 begann sie damit. Nach drei Lehrgängen schloss sie die bayerische Anerkennung als Leiterin im Laienmusizieren ab, die staatliche folgte nach einem weiteren Kurs. Inzwischen hat Hinterholzer noch den sogenannten B-Schein abgeschlossen, die höchste Qualifikation für musikalische Laien. Parallel stieg sie in der Holzhauser Musikkapelle auf. Sie übernahm die Jungmusikanten, wurde zweite Dirigentin bei den Erwachsenen und übernahm vor einem Jahr schließlich den Chefposten von Reiser.

Am Dirigieren reize sie, anderen Musikern im Detail zeigen zu können, was sie wolle. Ein gewisses Maß an Selbstkritik sei dabei aber wichtig. Als Dirigentin müsse sie den Musikern Ziele setzen, sie aber nicht überfordern. Die Fortschritte zu erleben sei jedes Mal beeindruckend.

Ihre ganze Familie ist musikalisch. Auch Hinterholzers drei jüngere Geschwister spielen Instrumente. Sie selbst beherrscht zusätzlich zum Baritonhorn noch das Eufonium, Klavier und Alphorn. Sie tritt auch bei der Tölzer Stadtkapelle auf und spielt aktuell bei einer Geretsrieder Jazzband. Mit einer bayernweiten Auswahl des Musikbunds reiste sie für drei Konzerte bis nach China. Abseits ihrer Berufstätigkeit als Chemikantin beim Pharmaunternehmen Roche dreht sich in Hinterholzers Leben fast alles um die Musik. Das genießt sie. Schließlich habe sie viele Kontakte knüpfen und Freundschaften schließen können, sagt sie.

Froh ist Hinterholzer, dass in Holzhausen alle so offen auf sie als Dirigentin reagiert hätten. Woanders, so sagt sie, wäre das womöglich nicht so leicht gegangen. Jetzt freut sie sich auf die Herbstkonzerte, bei denen zwei junge Frauen Soloparts spielen werden. Zu hören sein werden etwa ein Beatles-Medley, die Luftballon-Polka oder das Stück "Celtic Flutes" von Kurt Gäble als Solo für zwei Flöten mit Katharina Ertl und Anna Ramerth. "Ich wollte ganz bewusst die Jugend ranlassen", sagt sie. "Es wird sich schon etwas rühren."

Herbstkonzerte der Musikkapelle Holzhausen, Freitag und Samstag, 8. und 9. November, 20 Uhr, Turnhalle Münsing, Eintritt 8 Euro, an der Abendkasse, www.mk-holzhausen.de

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Quelle:
SZ vom 07.11.2019
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