Süddeutsche Zeitung

Lesung mit Liedern:Feuer der Sehnsucht

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Der "Liebesfrühling" in Penzberg gewährt tiefe Einblicke in die Beziehung zwischen Robert Schumann und Clara Wieck

Von Jakob Steiner, Penzberg

Er blickt verstohlen nach rechts. Dort - auf der anderen Seite - sitzt sie: seine Angebetete, Clara. Doch nicht Blicke oder Handlungen, sondern das Wort ist das, was sie verbindet. Es ist jener Stoff, der heutzutage in Sekundenschnelle digital übertragen wird. Damals wurde ebendieser mühsam mit der Feder aufgezeichnet. Das Thema ist dasselbe geblieben: Die Liebe zweier Menschen zueinander und alles, was sie mit sich bringt. Am Sonntag lasen die Schauspieler Heidrun Gärtner und Daniel Friedrich Auszüge aus dem Briefwechsel zwischen Robert Schumann und Clara Wieck in der Aula der Bürgermeister-Prandl-Grundschule in Penzberg.

Zwar vor mehr als 150 Jahren geschrieben, entfachen die Briefe noch im Heute das von Sehnsucht und Passion genährte Feuer. Robert konnte einfach nicht von der Tochter seines Lehrers Friedrich Wieck lassen. Im Jahr 1840 wollen die unter einer Fernbeziehung leidenden Verliebten heiraten, ein Jahr zuvor können sie es kaum mehr erwarten. Die anfängliche Vorfreude wird jedoch bald durch Zweifel, Schuldgefühle und Zerwürfnisse getrübt - nicht zuletzt aufgrund des Unmuts von Claras Vater gegenüber der jungen Liebe. Die Schauspieler gewährten tiefe Einblicke in das Liebesleben des Musikerpaars und verwandelten die geschriebene Sprache in einen lebendigen Dialog, ohne die spannende Distanz des Briefverkehrs aufzugeben.

Als schließlich die Streitigkeiten 1840 überwunden waren, komponierte Schumann einige Lieder. Die Sopranistin Anna Karmasin und der Bariton Thomas Stimmel widmeten sich unter anderem einer Auswahl aus dem reichhaltigen Fundus des sogenannten Liederjahrs des Komponisten. Zwischen den Texten zeigten sie zusammen mit der Pianistin Liese Klahn auf, wie Schumann das Auf und Ab hin zur Aussöhnung musikalisch verarbeitete.

Das Konzept für den als "Liebesfrühling" titulierten Schumann-Abend im Rahmen der "Ländlichen Konzerte Penzberg" erstellte die Musikjournalistin Sabine Näher. Die ausgewählten Stücke stammen vornehmlich aus dem Liederkreis "Myrthen". Karmasin eröffnete den Abend gefühlvoll mit der "Widmung", woraufhin Friedrich - fast in den Schlussakkord hineinplatzend - träumerisch anfängt, von Clara zu schwärmen. Stimmel tat es ihm daraufhin gleich, der Bariton sang "Du bist wie eine Blume" in sanftem, satten Ton. So wechselten sich die Sänger ab und beeindruckten das Publikum mit Ausdruckskraft und feiner Flexibilität der Stimmen. Großartig unterstützte sie Klahn am Klavier, durch die der Pianopart an Bedeutung gewann, aber nie die Sänger überlagerte. Diese waren sich im darauffolgenden Duett nicht immer einig, auch Frequenz und negative Stimmung im gesprochenen Briefdialog erhöhten sich. Stimmel setzte daraufhin mit "Mein Herz ist schwer" den emotionalen und musikalischen Höhepunkt. Auch Karmasin zeigte noch einmal gute Textausdeutung in "Die Lotusblume". Dann wendete sich endgültig das Blatt: In der "Frühlingsnacht" herrschte Freude über die "alten Wunder", die wieder schienen. Dieses Hochgefühl kulminierte schließlich im wunderbar lebhaft und glückselig interpretierten Duett "Blaue Augen hat mein Mädchen". Die Zuhörer hielt es nicht mehr auf den Sitzen, sie applaudierten lange und intensiv. Mit dem "Waldgespräch" als Zugabe, das im Original ein Solo-Lied ist, beschlossen die Sänger den Abend im Duett.

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Quelle:
SZ vom 23.05.2017
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