Süddeutsche Zeitung

Kreisbauerntag:Der Frust der Landwirte

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Viele Bauern fühlen sich von der Agrarpolitik in die Ecke gedrängt - und machen ihrem Ärger bei einem Verbandsabend Luft

Von David Holzapfel, Dietramszell

Richard Mergner hatte sich den Abend vermutlich entspannter vorgestellt: Der Vorsitzende des Bund Naturschutz in Bayern (BN) war der Einladung des Kreisverbands Bad Tölz / Wolfratshausen des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) am Montag gefolgt, um locker über eine möglichst fruchtbare Partnerschaft zwischen Landwirtschaft und Naturschutz zu referieren. Diese Thematik rückte jedoch zeitweise in den Hintergrund: Schnell kristallisierte sich heraus, dass die eingeladenen Bauern jede Menge Frust und Ärger über die aktuelle Situation in der Landwirtschaft nach Dietramszell mitgebracht hatten - wie auch gegenüber Ansichten des BN. Gesellschaftliches Anspruchsverhalten, unnahbare Politiker und der Einfluss der Medien: der Bauernverbands-Kreisobmann Peter Fichtner holte in seiner Rede zu einem Rundumschlag aus.

"Die Leute kritisieren die industrielle Landwirtschaft, stürmen aber massenweise in den Supermarkt", sagte Fichtner. Er sehe darin einen klaren gesellschaftlichen Widerspruch. Auch der stellvertretende Landrat, Klaus Koch (Bündnis 90/Die Grünen), merkte an: "Das Konsumverhalten der Bevölkerung geht nicht mit ihrem idyllischen Bild von Bauern zusammen". Ständig sinkende Milchpreise und Massenkonsum auf der einen, Umwelt- und Tierschutz auf der anderen Seite: Für die Landwirte zwei nicht zu vereinbarende Gegensätze. Peter Fichtner attestierte vielen Verbrauchern "Scheinheiligkeit".

Referent Richard Mergner schloss sich den Ausführungen seines Vorredners nur bedingt an: "Wir brauchen eine Marktdifferenzierung", nicht jeder Kunde suche nur ein einfaches Schnäppchen. Auch er hätte jedoch bemerkt, dass die Bevölkerung zunehmend den Bezug zur Landwirtschaft verliere und deren Arbeit kaum honoriert werde.

Seit einigen Jahren fordert der BN in Bayern nun schon einen Fortschritt in der Agrarwende. Das bedeutet: die Sicherung des gentechnikfreien Anbaus, verbesserte Tierhaltungsbedingungen und eine Umschichtung der Agrarsubventionen zugunsten bäuerlicher, umweltverträglich wirtschaftender Betriebe. "Es kann nicht sein, dass zwanzig Prozent der Betriebe achtzig Prozent der staatlichen Mittel erhalten", sagte Mergner. Bei der Zielsetzung lägen der Bund Naturschutz in Bayern und der Bayerische Bauernverband in vielen Punkten gar nicht weit auseinander: Auch der BBV würde sich laut Fichtner gegen eine Industrialisierung landwirtschaftlicher Betriebe und für eine gerechte Verteilung der Agrarsubventionen aussprechen. In einigen Themen stimmen Bund Naturschutz und Bayerischer Bauernverband jedoch nicht überein: Ein anwesender Landwirt warf Mergner und dem Umweltverband "Idealismus" vor. Viele Forderungen des BN würden ein wenig an der Realität vorbeigehen, die ein Landwirt tagtäglich vorfände.

1913 gegründet, feierte der Bund Naturschutz 2013 sein 100-jähriges Jubiläum. Immer wieder beschäftigt er sich auch mit landwirtschaftlichem Umweltschutz: Bei groß angelegten Demonstrationen in Berlin und München fordern die Mitglieder jährlich stärkere Regularien für die Agrarindustrie und ein Ende der Massentierhaltung. Erklärtes Ziel ist die Rückbesinnung auf eine bäuerliche und umweltgerechte Landwirtschaft. Mit Projekten wie einer "Wiesenmeisterschaft" versucht der BN, Landwirten eine ökologischere Arbeitsweise näher zu bringen. Bei diesem Wettbewerb werden jährlich die schönsten, artenreichsten und zugleich landwirtschaftlich genutzten Wiesen gesucht. Für die besten Flächen gibt es wertvolle Preise zu gewinnen.

Es bleibt abzuwarten, in welchem Ausmaß die Landwirte Ideen und Projekte des BN in Zukunft annehmen werden. Die Dietramszeller Bürgermeisterin Leni Gröbmaier (BLD) appellierte an die Versammelten: "Ein guter Draht zu den Naturschutzbünden ist wichtig". Auch Richard Mergner kam letztendlich zu dem Schluss: "Wir müssen wegkommen von den Schuldzuweisungen, eigentlich sind die Bauern und der Bund Naturschutz natürliche Verbündete". Denn eine Allianz - so der Konsens - sei unbedingt notwendig, um gemeinsame Interessen vertreten zu können.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2018
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