Süddeutsche Zeitung

Konzertkritik:Romantische Fantasien

Lesezeit: 2 min

Meisterschüler für Gesang, Klavier und Klarinette überzeugen beim Halbzeit-Konzert in Benediktbeuern

Von Sabine Näher, Benediktbeuern

Zum sechsten Mal hat Markus Kreul, Dozent an der Augsburger Universität, junge Musiker um sich versammelt, um mit diesen im Kloster Benediktbeuern an der Klavier-, Lied- und Kammermusikliteratur zu arbeiten. Dass die täglichen Mühen ertragreich sind, zeigen ein Meisterkonzert in der Kursmitte sowie ein Abschlusskonzert. Am Mittwochabend war ein ansehnliches Auditorium im Allianzsaal versammelt, um den Nachwuchsmusikern zur "Halbzeit" zu lauschen. Gemeinsam mit Kreul am Klavier eröffnete Lisa Riepl, die seit 2014 in Augsburg studiert, den Abend mit drei Fantasiestücken Robert Schumanns. Ihr weit ausschwingender, frei atmender Klarinetten-Ton erzählte das erste voller Poesie, wie ein "Lied ohne Worte". Freudig bewegt eilte das zweite vorüber. Das dritte, "Rasch und mit Feuer" überschrieben, hätte allerdings noch ein wenig mehr lodern dürfen.

Aus Korea kam die Mezzosopranistin A-reum Lee zum Master-Studium nach Augsburg, aus Malaga die Pianistin Irene Garcia Posadas. Gemeinsam gestalteten sie drei Lieder der Mignon aus Goethes "Wilhelm Meister", ebenfalls von Schumann vertont. Das wunderschöne, dunkle Timbre der Sängerin ließ sofort aufhorchen; als nächstes nahm ihre sehr gute Textausdeutung für sich ein. "Nur wer die Sehnsucht kennt" brachte die schmerzliche Komponente ("weiß, was ich leide") noch nicht ganz zum Ausdruck. Doch der leidenschaftliche Zugriff beider in "Heiß mich nicht reden" überzeugte vollkommen. Mit dem Intermezzo aus Schumanns "Faschingsschwank aus Wien" präsentierte sich die Spanierin darauf alleine. Die Gefühlstiefe auszuloten gelang ihr bestens, alleine eine gewisse Leichtigkeit braucht es auch.

Mit "Sei still, mein Herz" aus Louis Spohrs "Sechs deutschen Liedern" betrat eine wahrhaft romantische Besetzung das Podium: Susanne Müller, Sopran, Lisa Riepl, Klarinette, und Irene Garcia Posadas, Klavier. Riepl traf den großen romantischen Ton gleich in der Einleitung, bewegend sekundiert von der Pianistin. Müller gefiel hier schon in den Vorjahren. Die in Freiburg lebende Sängerin überzeugte erneut mit detaillierter Textausdeutung und darstellerischem Talent. Auch der aus Belgien kommende Pianist Stefan Pitz, der in Lüttich, Brüssel und Nürnberg studierte, war dem Benediktbeurer Publikum bekannt. Zum Running Gag des Abends wurden die immensen Schraubbemühungen am Klavierstuhl, wenn der Belgier und die Spanierin sich dort abwechselten: Er ist 2,02 Meter groß, sie nur 1,55 Meter.

Einem Prelude von Rachmaninow mit sehr dezidiertem Rhythmus verlieh Pitz den benötigten entschiedenen Zugriff; es hätte daneben aber noch eine Spur Eleganz vertragen können. Der völlig gegensätzliche Charakter in Liszts "Consolation No.3" kam gut zum Tragen. Mit katalanischer Musik von Guridi bezauberten darauf Garcia Posadas und Lee. Dass Asiaten sich schwer tun mit leidenschaftlichem Ausdruck, konnte die Sängerin hier eindrucksvoll widerlegen. Ihre Einfühlsamkeit bewies die Pianistin erneut in Poulencs Sonate für Klavier und Klarinette: abgedunkelte Farben, wehmütig - sehr ausdrucksvoll von beiden Musikerinnen.

Ein Tenor, der vor dem Gesangsstudium in Amsterdam in Cambridge Musikwissenschaft studiert hat, betrat sodann das Podium. Und verwirrte: An wen bloß erinnerte er? Dann die Erleuchtung: Eindeutig an Harry Potter. Und auch Edward Leach hat Zauberkräfte, mit denen er die Zuhörer in Bann zog - mit den als besonders schwierig geltenden Kerner-Liedern Schumanns. Leach fesselte dabei nicht durch überragende stimmliche Mittel, sondern genau die charismatische Ausstrahlung, die der Liedsänger braucht. A-reum Lee und Irene Garcia Posadas brachten darauf zwei Lieder Clara Schumanns: schlichtweg bezaubernd. Drei Nummern aus Schumanns "Frauenliebe und -leben" gestaltete Susanne Müller mit demutsvoller Ergebung ("Darfst mich niedre Magd nicht kennen, hoher Stern der Herrlichkeit!"). Ihre helle, zarte Stimme passt hier wunderbar. Gestaltungskraft und Einfühlsamkeit bewies auch Pitz am Klavier. Das Duett "Ich denke dein" aus Schumanns op.78 entfaltete dagegen zu wenig Ausstrahlung: Müller und Leach sangen jeder für sich sehr schön, aber wirkten nicht einander zugewandt. In die sternklare Benediktbeurer Nacht entließ die Zuhörer abschließend Müllers silbrig schimmernder Sopran mit Debussys "Clair de lune".

Abschlusskonzert: Samstag, 2. September, 19.30 Uhr, Barocksaal des Klosters, Eintritt frei

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Quelle:
SZ vom 02.09.2017
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