Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahlen in Bad Tölz-Wolfratshausen:Der Wegbereiter

Lesezeit: 4 min

Mit Stadtrat Franz Mayer-Schwendner stellen die Grünen zum ersten Mal einen Bürgermeister-Kandidaten in Bad Tölz auf. Der 60-Jährige nennt Klimaschutz, bezahlbaren Wohnraum und sozialen Zusammenhalt als seine vorrangigen Ziele

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Mit seinen Nachbarn hatte es Franz Mayer-Schwendner vor mehr als zwei Jahren nicht gerade leicht. Der Stadtrat der Grünen wohnt am Von-Ketteler-Ring und damit nahe der kleinen Bahnbrücke über die Gaißacher Straße. Der schmale Übergang wurde nicht bloß saniert, sondern einspurig für den Verkehr geöffnet, was massiven Widerstand der Anwohner hervorrief. Mayer-Schwendner stimmte damals für die Öffnung. "Das war nicht so angenehm mit der Nachbarschaft", sagt der 60-Jährige, der für die Grünen als Bürgermeister-Kandidat in Bad Tölz antritt. Aber Rückgrat müsse man als Lokalpolitiker nun einmal haben.

Dies bedeutet für ihn allerdings nicht Sturheit. "Es ist so, dass man seine eigene Meinung hat, aber auch die Meinung des anderen respektiert und sich in sie hineindenkt, und dann versucht man, eine gemeinsame Lösung zu finden", sagt er. Damit intoniert er das Leitmotiv für den Umgang, den er als Rathauschef pflegen will, gerade auch mit den Unzufriedenen: Reden, immer wieder reden. "Und wenn ein Gespräch scheitert, dann führt man nächste Woche eben das nächste Gespräch, und übernächste Woche das übernächste." Zum Beispiel mit Anton Hoefter von der Jod AG über den Jodquellenhof und die Wandelhalle. "Den Tourismus im Badeteil erhalten - ja, aber auch mit dem Eigentümer einen gemeinsamen Weg finden."

Es ist das erste Mal in Bad Tölz, dass die Grünen einen Bewerber für das Bürgermeisteramt gewählt haben. "Die Zeit ist reif dafür", sagt der Kandidat. Auch Ortsvorsitzender Andreas Wild hatte Interesse, zog jedoch zurück. Mayer-Schwendner, der aus Kochel stammt und 1978 sein Abitur am Tölzer Gymnasium absolvierte, ist Umweltgutachter und Sachverständiger für Abfallwirtschaft und Emissionshandel, zuletzt war er als Gesellschafter, Vorstand und Aufsichtsrat in zwei Ingenieurfirmen tätig. Diese leitenden Positionen hat er inzwischen nicht mehr inne. So kann sich der Familienvater, der seit mehr als 30 Jahren mit Kreisrätin Barbara Schwendner verheiratet ist, auf seine Bewerbung konzentrieren. "Im Stadtrat kann man Vieles machen, aber als Bürgermeister kann man noch viel mehr tun", sagt er. Dass er mit 60 Jahren um einiges älter ist als seine Mitbewerber von CSU, FWG und SPD, ficht ihn nicht an. 60 sei ja nicht 80, sagt er. Und: "Ich bin es gewohnt, dass ich arbeite."

Im Kopf hat er nach eigenem Bekunden "100 Vorstellungen" von dem, was er als Rathauschef angehen möchte. In seinem Wahlkampf-Flyer stehen indes genau fünf Ziele. Kaum verwunderlich für einen Kandidaten der Grünen, dass der Klimaschutz an erster Stelle rangiert. Ein Herzensanliegen ist ihm ein Blockheizkraftwerk im Badeteil. Das Projekt der Stadtwerke liegt seit 2016 auf Eis, nachdem Anwohner gegen den Standort an der Benediktbeurer Straße protestiert hatten. Dieser Platz sei in der Tat "schwierig bis ungeeignet", da gebe es bessere, sagt Mayer-Schwendner. Das Heizkraftwerk, das Strom und Wärme produziert, bezeichnet er als zwingend notwendig, weil die Emissionen "deutlich geringer als bei Einzelheizungen" seien. "Wir brauchen nicht nur die Stromwende, wir müssen auch die Wärmewende schaffen", sagt er. Außerdem schweben ihm Solaranlagen auf allen städtischen Gebäuden vor, auch auf der Sportjugendherberge.

Radfahrer, die trotz Verbots nicht absteigen, Kleintransporter, die vormittags kreuz und quer parken - dieses Bild der Marktstraße will der Grünen-Kandidat ändern. Die Fußgängerzone soll eine Zone nur für Fußgänger sein, sagt er. Die Radler sollen - einem Vorschlag im Verkehrsentwicklungsplan zufolge - über die Nockhergasse umgeleitet werden. Dort gibt es jedoch ein Problem: das denkmalgeschützte Irlbeck-Haus. Dieses Gebäude bildet eine Engstelle und müsste für einen Rad- und Fußweg im Parterre umgebaut werden. Darüber würde er mit dem Eigentümer das Gespräch suchen, sagt der Mayer-Schwendner. Den Lieferverkehr will er aus der Marktstraße verbannen. Die Waren sollen zur Post in der Hindenburgstraße und dann mit E-Pedelecs zu den Geschäften transportiert werden. Und was den öffentlichen Nahverkehr betrifft, setzt er auf kleinere Busse und einen engeren Takt: "Das muss man halt mal ausarbeiten."

Punkt zwei auf der Liste: bezahlbarer Wohnraum. Die Grünen hätten im Vorjahr mit dem erfolgreichen Bürgerentscheid zum Hotelprojekt Bichler Hof gezeigt, dass es ihnen damit ernst sei. Auch auf der Zwickerwiese wäre es ihm lieb gewesen, wenn nicht bloß Häuser für Familien, sondern auch Mietwohnungen entstünden - für jene, die sich kein Haus leisten können. Aber mit dieser Forderung für das große Bauvorhaben steht er unter den vier Bürgermeisterkandidaten alleine da. Ansonsten setzt Mayer-Schwendner vor allem auf Wohnbaugenossenschaften, die "bezahlbares, lebenslanges Wohnen" ermöglichen. Und auf Projekte wie die Osterleite, wo die Stadt selbst günstige Quartiere gebaut hat. Auf keinen Fall will er weiter "hochpreisige Zweitwohnungen" in Tölz. "Da müssen wir so was von die Bremse reinhauen."

Erschwingliche Quartiere für ihre Mitarbeiter wünschen sich auch Firmen in der Kurstadt. Ebenso eine gute Infrastruktur und Gewerbeflächen. "Wenn wir ein Unternehmen haben, das etwas machen will, dann werde ich alles versuchen, um auf einen gemeinsamen Weg zu kommen", verspricht der Grünen-Kandidat. Aus seiner jahrzehntelangen Berufstätigkeit wisse er, wie man mit Unternehmern reden müsse. Vor allem kleinere Areale hat Bad Tölz für Betriebe kaum zu bieten, allerdings will Mayer-Schwendner mit dem Eigentümer des brach liegenden Moralt-Geländes an der Lenggrieser Straße sprechen. Und den Besitzer des seit Jahren verfallenden Bahnhofs mag er nicht aus der Verantwortung entlassen. "Da muss man die Daumenschrauben anziehen." Notfalls auch mit juristischen Mitteln.

Umkrempeln will der 60-Jährige auch die Informationspolitik. Um mehr Transparenz für den Bürger zu schaffen, sollen beispielsweise Unterlagen zu einzelnen Tagesordnungspunkten im Stadtrat auf der Homepage der Stadt einzusehen sein. Außerdem plant er eine Bürger-Werkstatt zu jedem Großprojekt in Tölz. Und dann steht als fünftes Ziel noch auf seinem Flyer: "Sozialer Zusammenhalt". Für ihn gehöre dazu auch Jung und Alt. All jene, die sonst keine Stimme haben, wie er sagt. Die Senioren im Pflegeheim, die genauso in die Mitte der Stadtgesellschaft gehörten wie die Jugendlichen, die gerne an der Isar feiern möchten. Die Bedürfnisse dieser Bevölkerungsgruppen müsse man bündeln, die Angebote für sie erweitern.

Sein grünes Herz werde er stets behalten, sagt der Kandidat, der seit 18 Jahren im Stadtrat sitzt. Aber als Bürgermeistermuss müsse man die Meinungsvielfalt berücksichtigen, "man muss integrieren und zusammenbringen." Auch bei der Bahnbrücke an der Gaißacher Straße gab es am Ende einen Kompromiss. Sie würde gesperrt, wenn so viel Durchgangsverkehr darüber fließt, wie von den Anliegern befürchtet.

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Quelle:
SZ vom 06.11.2019
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