Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Grüne Sympathiebremse

Lesezeit: 1 min

Die Wolfratshauser Grünen werden sich mit der Forderung nach flächendeckendem Tempo 30 Sympathien verscherzen.

Von Wolfgang Schäl

Ein Wahlprogramm ist zwar letzten Endes immer ein Konglomerat aus Wünschen, Visionen und oft wattigen Erklärungen, die der einzelne Wahlbürger schwer im Kopf behalten kann, zumal sich die Parteien ja auch inhaltlich überschneiden. Manche Aussagen, Anregungen und Gedankenspiele entwickeln in den Köpfen dagegen eine Eigendynamik, die schwer wieder zu stoppen ist. So ist es den Grünen zuletzt mit der unseligen Veggie-Day-Debatte gegangen, die sie bundesweit viele Stimmen gekostet hat. Und so kann es auch den Wolfratshauser Grünen mit einem Programmpunkt gehen, der sich mutmaßlich stärker einprägt als alle anderen: Einheitlich Tempo 30 für die ganze Stadt.

Die Vorstellung, dass selbst der Durchgangsverkehr, der sich insbesondere an Samstagen hochverdichtet über die breite Pfaffenrieder Straße in Richtung A 95 wälzt, auf Schneckentempo heruntergebremst wird, wirkt jedenfalls abschreckend, und ob dies mit Blick auf die Immissionen sinnvoll ist, mag man auch anzweifeln. D ie Grünen-Forderung ergibt schon insofern wenig Sinn, als die Stadt auf den innerörtlichen Staatsstraßen, auf denen zügiger gefahren wird, ohnehin nichts zu melden hat. Hier haben die Straßenbauämter das Zepter in der Hand. Und in den meisten Ortsteilen gilt sowieso Tempo 30, so etwa in der Weidacher Hauptstraße. Mit dieser Begründung hat der Stadtrat einen ähnlichen Vorstoß innerhalb der "Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern" im vergangenen Frühjahr schon einmal abgelehnt.

Die Sicherheit von Radlern erscheint nicht bedroht: Eine Häufung von Unfällen, an denen Autos und Radfahrer beteiligt sind, ist nicht nachweisbar: Laut Polizei hat es in der Stadt innerhalb der vergangenen zwei Jahre nur sechs Unfälle mit Radfahrern gegeben, davon waren in drei Fällen die Radler selber schuld, und zu hohe Geschwindigkeit hat in keinem Fall eine Rolle gespielt. Ein einziger, wenig sinnvoller Programmpunkt könnte die Grünen somit eine Menge Sympathien kosten, die sie zur Umsetzung sinnvoller Ziele dringend brauchen. Selbst wenn es gut gemeint ist: Auch Übereifer kann schaden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1858711
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 09.01.2014
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.