Süddeutsche Zeitung

Christopher Kloeble:Der indische Königsdorfer

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Der Schriftsteller Christopher Kloeble lebt längst in Berlin und Delhi - wird aber immer wieder zu seiner oberbayerischen Heimat befragt.

Von Sabine Näher, Königsdorf

"Normalerweise komme ich zwar nur einmal im Jahr in der Region vorbei. Aber ich bin trotzdem sehr oft da: Jedes Mal, wenn ich von meiner Heimat erzähle oder darüber schreibe. Es überrascht mich immer wieder, wie oft ich außerhalb Bayerns zu Bayern befragt werde. Für viele Menschen ist das ein sehr exotischer Ort." Christopher Kloeble, geboren am 3. Juli 1982 in München als Sohn des Schauspielers, Drehbuchautors und Produzenten Til Erwig, wuchs auf in Königsdorf, besuchte das Gymnasium in Bad Tölz und war Mitglied im Tölzer Knabenchor. Seine schönste Erinnerung an die Kindheit hält er zugleich für die schrecklichste: Als kleiner Junge grub er ein Loch in einen Schneehügel, wurde verschüttet und wäre fast erstickt. Sein Vater konnte ihn gerade noch retten.

Da Kloeble schon als Schüler an Schreibkursen der Münchner Universität teilgenommen hatte, zog es ihn zum Studium nach Leipzig an das Deutsche Literaturinstitut. Von da ging er 2007 nach Berlin. "Für einen grundsätzlich faulen Menschen wie mich ist das Leben in der Stadt einfacher. Mit Schrecken denke ich an meine Teenagerjahre zurück, in denen ich mich täglich davor drückte, Schnee zu schippen, Laub zu rechen, Rasen zu mähen und dergleichen. Zudem finde ich in der Stadt fast alles, was ich brauche, in unmittelbarer Umgebung. Vor allem Freunde aus aller Welt." Dennoch habe ihn das Leben auf dem Land ungemein geprägt, erklärt Kloeble: "Ich beschwere mich oft, dass die Luft nicht so rein ist wie in meiner Kindheit. Ich genieße es, allein zu sein, muss nicht immer Menschen um mich haben. Ich gehe gerne zu Fuß. Ich behaupte, etwas von handwerklichen Dingen zu verstehen. (Eine, um ehrlich zu sein, sehr anmaßende Behauptung.) Und nachts vermisse ich einen klaren Sternenhimmel..."

Für das Leben als Autor war Berlin gewiss kein schlechter Standort. Kloeble schrieb für Zeit, die Süddeutsche Zeitung wie die taz und entwickelt Stoffe für Film- und Fernsehproduktionen. 2008 erschien sein erster Roman "Unter Einzelgängern", der von zwei sehr unterschiedlichen Familientragödien im Oberland erzählt. Schon 2009 folgte der Erzählband "Wenn es klopft". Drei Jahre später veröffentlichte er seinen zweiten Roman "Meistens alles sehr schnell", der die Alpenregion als Handlungsort wählt. Das Buch wurde in mehrere Sprachen übersetzt und auch in den USA veröffentlicht. Für zweieinhalb Monate geht der Autor dann auf Lesereise quer durchs Land "von der Ost- zur Westküste."

Seit 2012 hat Christopher Kloeble in Indien seinen zweiten Lebensmittelpunkt gefunden: "Ich würde gerne behaupten, der Anlass war mein Abenteuerinstinkt. In Wahrheit ist aber meine Frau schuld. Ich weiß nicht, ob ich ohne sie jemals nach Indien gekommen wäre. Sie ist dort aufgewachsen und hat mir diese Welt eröffnet. Inzwischen bin ich offiziell eine "Person of Indian Origin", ich brauche kein Visum mehr, um nach Indien zu reisen. Wahrscheinlich bin ich der erster Königsdorfer mit indischer Herkunft." In seiner Künstlerbiografie heißt es lapidar: "Kloeble lebt in Berlin und Delhi."

Befragt, wie man sich ein solches Leben vorstellen könne, meint er, das sei schwer zu erklären: "Manchmal kann ich beide Orte nicht leiden, manchmal möchte ich nirgendwo sonst auf der Welt sein. Es gibt immer viel Wiedersehensfreude. In Deutschland lerne ich, Indien zu schätzen - und anders herum. Ich bin nie ganz an einem Ort, was sich vermutlich furchtbar anhört, mich aber glücklich stimmt. Und durch das viele Reisen werde ich ständig daran erinnert, wie groß und kompliziert unsere Welt ist, und dass so viel Leben gleichzeitig passiert. Eine banale Beobachtung, ich weiß, aber nichtsdestotrotz fasziniert mich die Tatsache immer wieder. Ich glaube fest daran, dass es gesund ist, hin und wieder die Perspektive zu wechseln."

Jetzt ist sein neuer Roman "Die unsterbliche Familie Salz" erschienen. Eine Familiengeschichte, in der nach Oberbayern erneut eine wichtige biografische Station zum Handlungsort wird: Leipzig und das Hotel Fürstenhof, das sich tatsächlich einmal im Besitz von Kloebles Familie befand. Und so wird vermutlich auch die neue indische Heimat irgendwann zum Romanstoff. Denn 'dahoam' ist für Christopher Kloeble ganz einfach "dort, wo ich Menschen um mich habe, die ich liebe und die mich lieben".

Christopher Kloeble: "Die unsterbliche Familie Salz", dtv, 978-3-423-28092-1, 22 Euro

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SZ vom 05.09.2016
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