Süddeutsche Zeitung

Interview:"Wir sind auf einem sehr guten Weg"

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Dritte Bürgermeisterin Regina Reitenhardt spricht über Barrierefreiheit in Münsing

Von Benjamin Engel, Münsing

Im Gemeinderat Münsing tritt die Dritte Bürgermeisterin und frühere Sozialreferentin Regina Reitenhardt (Wählergruppe Münsing) stets für Barrierefreiheit ein. Laut den Plänen der Pfarrgemeinde soll nun eine Betonrampe an der nördlichen Friedhofsmauer den Zugang zur Münsinger Kirche erleichtern. Der Wermutstropfen: Diese Konstruktion hat sieben Prozent Gefälle, ein Prozent mehr als die DIN-Norm für barrierefreies Bauen eigentlich erlaubt. Ein Datum für die Fertigstellung gibt es ebenfalls noch nicht. Was sie darüber denkt und wie es um die Barrierefreiheit in der Gemeinde generell steht, erklärt Reitenhardt im SZ-Gespräch.

SZ: Frau Reitenhardt, ärgert es Sie, dass der neue Kirchenzugang nicht alle Anforderungen zur Barrierefreiheit erfüllt?

Regina Reitenhardt: Ich denke, eine bessere Lösung werden wir nicht erhalten. Dafür reicht der Platz nicht. Erste Überlegungen für einen anderen Zugang gab es bereits vor Jahren. Die Kommune und die Pfarrgemeinde haben mehrere Varianten geprüft, wie zum Beispiel die Idee eines Aufzugs oder Treppenlifts, und man hat sich schließlich für die Rampe entschieden.

Ganz billig ist dieses Projekt ja auch so nicht.

Im Gespräch sind 200 000 Euro, etwa die Hälfte würde die Gemeinde übernehmen. Die hohen Kosten entstehen durch die Breite und die Statik, da die Rampe auch für einen Minibagger befahrbar sein muss.

Wie weit ist die Gemeinde Münsing im Streben nach Barrierefreiheit gekommen?

Wir sind auf einem sehr guten Weg. Wir haben in den letzten Jahren viel erreicht. Die Agenda Soziales und die Arbeitsgruppe Barrierefreies Münsing haben seither viele Aktionen durchgeführt.

Zum Beispiel?

Eine erste Begehung haben wir 2009 mit einem Rollstuhlfahrer gemacht. In Folge sind an der Sparkasse und an der Apotheke Rampen errichtet worden. In einer weiteren Begehung haben wir uns in Gaststätten umgeschaut. In der Zwischenzeit hat auch der Münsinger Altwirt eine Rampe gebaut. In den letzten zwei Amtsperioden hat sich viel getan - auch politisch.

Aber Barrierefreiheit umfasst doch mehr.

Erst wer selbst betroffen ist, weiß, wie schwierig die Situation ist. Mein Vater saß jahrelang im Rollstuhl. Da wird ein fünf, sechs Zentimeter hoher Bordstein zum großen Hindernis. Erst recht, wenn der Partner selbst alt ist und sich schwer tut. Dass wir den Gehweg an der Münsinger Ampelkreuzung abgesenkt und behindertengerecht gestaltet haben, war ein Meilenstein. Am kommunalen Badeplatz gibt es seit 2015 einen Handlauf, um leichter in den Starnberger See zu kommen. Behindertengerechte Toiletten gibt es etwa am Dorfplatz, im Pfarrheim und in der Vereinsgaststätte Pinocchio in Münsing sowie am Campingplatz in Ambach am See. Außerdem gibt es im Naherholungsgebiet am Schwaiblbach eine behindertengerechte Toilette und eine mit dem Rollstuhl befahrbare Rampe in den See. Des Weiteren ist das Angebot an behindertengerechten Parkplätzen im ganzen Gemeindegebiet ausgebaut worden.

Wie erfahre ich von solchen Angeboten?

In der Broschüre des Ambacher Verlags zum Urlaub in Münsing wurden auf Initiative der Agenda Soziales die barrierefreien Gebäude in Münsing gekennzeichnet. Zusätzlich betreut unser Seniorenbeauftragter Nikolaus Bahle die deutschlandweite Plattform für rollstuhlgerechte Orte www.wheelmap.org für den Bereich Münsing.

Wo ist noch dringend Handlungsbedarf?

Im Rathaus ist es nicht optimal. Dort fehlt etwa eine Behindertentoilette. In der Schule gibt es keinen barrierefreien Zugang. In den ersten Stock müsste ein Rollstuhlkind momentan getragen werden. Ich hoffe, wenn das Rathaus in zwei Jahren ins neue Bürgerhaus zieht und die bisherigen Verwaltungsräume zum Haus des Kindes werden, gibt es neue Möglichkeiten. Ich würde mir vielfach wünschen, es ginge schneller, gerade auch bei Bahnhöfen im öffentlichen Personennahverkehr.

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Quelle:
SZ vom 07.02.2022
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