Süddeutsche Zeitung

Insolvenz nach Listerienkontamination:"Poker" ums Sieber-Gelände

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Nicht nur Krämmel, auch andere Investoren interessieren sich für das Grundstück. Erste Stimmen warnen vor einer "Verunsicherung", die Stadt will vorerst an einer gewerblichen Nutzung festhalten.

Von Felicitas Amler, Geretsried

Der frühere Sieber-Chef Dietmar Schach hatte "einen Aufschrei" vorhergesagt für den Fall, dass bekannt werde, wer das Gelände der geschlossenen Großmetzgerei an der Geretsrieder Böhmerwaldstraße erwerben wolle. So laute Meinungsäußerungen waren am Donnerstag nicht zu hören, nachdem die SZ vom erklärten Kaufinteresse des Wolfratshauser Bauunternehmens Krämmel berichtet hatte. Lediglich Jochen Pelz schrieb auf Facebook den Kommentar: "Bedeutet erneute Verunsicherung bei benachbarten Firmen und deren Mitarbeitern mit Familien."

Pelz hatte im vorigen Jahr als Sprecher der Industriegemeinschaft Geretsried (IGG) schon ein anderes Krämmel-Vorhaben äußerst kritisch begleitet: die Nutzung des Lorenzareals für ein gemeinsames Wohnbauprojekt mit der Geretsrieder Baugenossenschaft. Dass der Stadtrat dafür das Grundstück inmitten des Gewerbegebiets in ein Wohngebiet verwandelte, nannte Pelz eine "schleichende De-Industrialisierung". Jetzt äußert er sich vorsichtiger und ausdrücklich nur als Privatperson. Das Sieber-Gelände schließt direkt an das vier Hektar große Lorenzareal an, wo Krämmel und die Baugenossenschaft eines der aktuell größten sozialen Bauvorhaben in der Region planen: 600 teils öffentlich geförderte Wohnungen für etwa 1500 Menschen.

Insolvenzverwalter Josef Hingerl spricht nicht über einzelne, mögliche Käufer: "Es gibt mindestens drei hochwertige Interessenten." Ob das Grundstück einem Gewerbe vorbehalten bleibe oder Wohnungen gebaut würden, sei ihm egal. Er müsse einen Höchstpreis für die 12 000 Quadratmeter erzielen. "Je mehr ich einnehme, desto weniger Schadenersatz muss der Freistaat zahlen", sagt der Insolvenzverwalter.

Jetzt werde "gepokert". Hingerl ist der Überzeugung, dass die Behörden die Großmetzgerei zu Unrecht geschlossen haben. Seine Klage auf 13 Millionen Euro hat er allerdings noch nicht einmal eingereicht. Gesundheitsministerium und Landratsamt hatten stets widersprochen und auf zwei Entscheidungen des Münchner Verwaltungsgerichts zu ihren Gunsten verwiesen.

Geschäftsführer Korbinian Krämmel sagt, sein Unternehmen habe schon deswegen Interesse am benachbarten Sieber-Gelände, um nicht mit einem fremden Nachbarn vor neuen Abstimmungsproblemen zu stehen. Die Frage, ob mit einem Kauf des Geländes auch eine Erweiterung des Wohnprojekts zu erwarten sei, ließ er offen: Man wisse ja auch gar nicht, ob die Stadt noch einmal Gewerbeareal in ein Wohngebiet umwandeln würde.

Darauf hebt auch Bürgermeister Michael Müller (CSU) in einer Stellungnahme ab: "Es handelt sich dabei offensichtlich um private Gedankenspiele eines privaten Investors, aus diesem Grund können und werden wir das nicht kommentieren", lässt er verlautbaren. Und betont: "Eines kann ich aber definitiv sagen: Es handelt sich bei dem angesprochenen Grundstück um ein Gewerbegebiet, eine andere Nutzung ist dort nicht vorgesehen."

Jochen Pelz warnt vor einer "De-Industrialisierung".

Korbinian Krämmel erklärt, sein Unternehmen sei auch ohne die Möglichkeit einer Wohnbebauung am Sieber-Areal interessiert.

Ähnlich äußert sich SPD-Sprecher und Zweiter Bürgermeister Hans Hopfner. Der Stadtrat habe sich zwar "dazu durchgerungen", das Lorenzareal in ein Wohngebiet umzuwandeln. Weiteres müsste man sich aber reiflich überlegen. Er persönlich sei da eher skeptisch. "Ich würde es begrüßen, wenn sich an der Stelle weiterhin Gewerbe ansiedeln könnte, wo eine Verträglichkeit zur Wohnbebauung möglich wäre."

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SZ vom 28.04.2017
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