Süddeutsche Zeitung

Immobilien:Der Tölzer Bahnhof verrottet

Lesezeit: 3 min

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

An der Decke sind Schimmelflecken zu sehen, Putz blättert ziemlich großflächig von den Wänden, die Heizung ist defekt, Restaurant und Toiletten sind seit Jahren geschlossen, der Geruch ist leicht modrig: Der Tölzer Bahnhof kommt zunehmend herunter.

Weil eine Sanierung durch den Eigentümer nach wie vor nicht beantragt ist, forderten CSU-Fraktionssprecher Ingo Mehner und Dritter Bürgermeister Christof Botzenhart (CSU) die Stadtverwaltung in einem Antrag auf, alle juristischen Möglichkeiten abzuklopfen, um den Verfall des denkmalgeschützten Gebäudes zu verhindern. In der jüngsten Sitzung kam der Stadtrat überein, dies im Rathaus prüfen zu lassen. Auch eine Enteignung des Besitzers soll dabei untersucht werden.

Der Tölzer Bahnhof müsste saniert werden. Schon mehrmals wollte die Stadt den Bahnhof kaufen, doch der Eigentümer lehnt dies ab.

Inzwischen blättert der Putz von den Wänden - keine schöne Visitenkarte für den Touristenort.

Die Toiletten im Bahnhofsgebäude sind schon seit langem geschlossen.

Den Auftrag bekommt zunächst einmal das Bauamt der Stadt. Das kenne sich sehr gut aus, sagt Bürgermeister Josef Janker (CSU). Für vertrackte Fragen des Baurechts könnten die Mitarbeiter auch noch einen Fachjuristen hinzuziehen. Außerdem sei CSU-Fraktionschef Mehner selbst Rechtsanwalt und könne die Situation durchaus einschätzen, betont Janker.

Vor eine Enteignung hat der Gesetzgeber in Deutschland allerdings hohe, fast unüberwindbare Hürden gestellt. Das weiß auch der Bürgermeister. "Das ist ein ganz heikles Thema - mit Recht", sagt er. Einen solch drastischen Schritt möchte er gleichwohl nicht von Vorneherein ausschließen.

Für das erste Quartal dieses Jahres hatte Eigentümer Erwin Fritz, Geschäftsführer der Firma Tektogrund aus Bad Tölz, noch im Dezember 2017 einen Bauantrag für das Erdgeschoss angekündigt. Damals hatte er erklärt, dass es gleich drei Zentralheizungen in dem 1924 erbauten Gebäude gebe - eine für die Gaststätte, eine fürs Erdgeschoss, eine fürs Obergeschoss.

Es sei kompliziert, alle drei Anlagen zu einer Heizung zusammenzufassen. Außerdem verwies er auf die hohen Anforderungen des Denkmalschutzes, des Brandschutzes und der Statik im Dachgeschoss, das ausgebaut werden soll. Was die mangelhafte Sauberkeit angeht, verwies er auf die DB Station & Service, die dafür zuständig sei. Marode sei der Bahnhof jedoch nicht.

"Was die Optik angeht, kann sich jeder selbst ein Bild machen", hält Janker dagegen. Das bald 100 Jahre alte Gebäude mit dem Uhrenturm bezeichnet er als "in die Jahre gekommen" und es mache "einen erbärmlichen Eindruck". Nicht eben eine Visitenkarte für einen Touristenort wie Bad Tölz. Schon mehrmals hatte die Stadt angeboten, den Bahnhof zu kaufen. Man hätte ein Wertgutachten erstellen lassen, das Gebäude erworben, "und dann machen wir was draus", so Janker. Aber ein Verkauf kommt für den Eigentümer nicht in Frage.

Firmeninhaber Fritz hatte die Immobilie vor 17 Jahren von der Deutschen Bahn erworben. Auch die Stadt selbst hatte, nebst anderen Bewerbern, unter dem damaligen Bürgermeister Josef Niedermaier ein starkes Interesse an einem Kauf angemeldet. Wie Nachfolger Janker im Stadtrat berichtete, hatte die Bahn seinerzeit einen Makler aus dem Isarwinkel mit diesem Geschäft beauftragt.

Vor dem schon festgelegten Notartermin sollte allerdings per Bodengutachten noch geklärt werden, ob sich irgendwelche Altlasten auf dem Areal befänden - weil nach Niedermaiers Wissen einstmals schadstoffbelastete Flüssigkeiten und Materialien am Bahnhof verladen worden waren. Eine böse Überraschung wie auf dem Kasernengelände sollte so ausgeschlossen werden.

In einem Telefonat mit dem Makler sollte die Frage geklärt werden, ob Proben am Bahnhof entnommen werden dürfen, so Janker: "Aber er sagte, das sei nicht mehr nötig, er sitze gerade beim Notar und lasse den Verkauf beurkunden." Die Stadt, meint Janker, sei damals "regelrecht über den Tisch gezogen worden."

Eine Sanierung des Bahnhofs sei nicht leicht, da stimmt der Bürgermeister dem Besitzer durchaus zu. "So ein Gebäude ist eine Herausforderung." Aber wenn jemand diese Aufgabe nicht meistern könne, sollte er sich schon überlegen, ob er die Sache jemandem übergeben wolle, der dies könne. Anders ausgedrückt: Erwin Fritz sollte den Bahnhof doch an die Stadt verkaufen.

Zu den Optionen, die im Bauamt geprüft werden, gehört deshalb auch das Vorkaufsrecht - für den Fall, dass der Eigentümer seine Meinung doch noch ändert. Außerdem stehen auch sicherheitsrechtliche Verfügungen zur Debatte, falls beispielsweise das Dach abzubröckeln droht und Fußgänger im öffentlichen Raum gefährdet. Eine weitere Alternative wäre die Festsetzung eines Sanierungsgebiets.

Dieses Instrument würde erst wirksam, wenn der Besitzer eine Veränderung am Bahnhof vornehmen möchte. Vorerst bleibt jedoch alles, wie es ist. Wer eine Fahrkarte kaufen möchte, muss zu den Containern der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) am Pendler-Parkplatz gehen. Die BOB hatte ihren Mitarbeiter nicht mehr zumuten wollen, im Tölzer Bahnhof zu arbeiten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3963268
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 02.05.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.