Süddeutsche Zeitung

Icking:Authentisch in allen Rollen

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Gelungene Premiere der Laienbühne mit "Mefisto forever" im Theaterzelt am Stockerweiher.

Von Christa Gebhardt

Standing ovations im voll besetzten Theaterzelt. Pure Freude und verdienter Stolz bei den Schauspielern, stilles Grinsen bei Regisseur Stefan Mayer-Voigt. Das Laientheater Icking hat mit der Premiere von "Mefisto forever" am Freitag das anspruchsvolle Stück von Tom Lanoye nicht nur geschafft, sondern auch bis zum Ende die Spannung gehalten. Leichtfüßig, kurzweilig, mit stark gesetzten Akzenten. Von Beginn an erfüllen alle ihre Rollen in diesem Spiel aus Wirklichkeit und Täuschung.

Das war nicht leicht. Das dramatische Verwirrspiel aus Klaus Manns Roman "Mephisto" mit gewichtigen Zitaten berühmter Klassiker (Shakespeare, Tschechow, Goethe) über den Umgang mit der Macht und der eigenen Courage hat aktuell noch andere Ebenen: Was tun als involvierter Bürger, wenn Diktaturen herrschen? Kampf bis zum Tod, Widerstand von innen? Oder läuft man mit? Die Geschichte des Star-Schauspielers Kurt Köpler, der sich - wie einst Gustaf Gründgens unter den Nazis - korrumpieren lässt, gibt eine Antwort. Da ist die bittere Erkenntnis, hohl zu sein: Keine passende Maske mehr vorhanden, Mephisto abgeschminkt, der "neue Führer" wird befehlen, er wird ihm folgen.

Textstark und sehr glaubhaft in allen seinen Rollen: Boris Fittkau als Kurt Köpler. "Kultur steht über Politik! Authentizität! Unbesudelt und integer!" Aber eben auch: "Zerrissen-Sein! Theater handelt nicht von Wahrheit, sondern von Dilemma!" Köpler ist zuletzt nicht mehr Mephisto, der Verführer. Er ist Faust, der sich erneut verführen lässt zum Teufelspakt. In die teuflische Rolle schlüpft indessen Kulturminister Hermann Göring, im Stück "der Dicke", der bald im Regiestuhl sitzt und schließlich offen mordet ohne Schuldgefühl. Zwielichtig, boshaft und vordergründig harmlos, das ist die Rolle zwischen Schleimer und Aggressor, die Moritz Kienast glänzend spielt.

Klasse auch der jugendliche Faschist von Merlin Bauer alias Niklas Weber in seiner Fallhöhe von herrlich fiesem Triumphgeheul ("Die werden uns nicht länger ins Abseits schieben") bis zu aufrichtiger Empörung, als er die wahren Charaktere sieht hinter den Fassaden. Wunderbar treudoof Mutti (Christine Noisser), die als Souffleuse die Textschwere trägt, und als Kommentarfigur und Närrin für die Lacher sorgt. Sie zeigt, wie man sich wegduckt in der Diktatur: harmonisierend, wankelmütig, plaudernd, immer ein Tässchen Tee für jeden. Auch für den Nazigeneral.

Ein großes Kompliment an die Technik: Stefan Speich hatte vor der Premiere darauf bestanden, einen ganzen Tag im Theaterzelt mit dem gesamten Drama und seiner Atmosphäre allein zu sein, um die aufwendigen Videoinstallationen in den Griff zu kriegen. Das hat geklappt. Wie alles an diesem Abend.

Laienbühne Icking: "Mefisto forever", Mittwoch und Freitag, 17. und 19. Juli; Theaterzelt am Stockerweiher, Irschenhausen. Beginn: 20 Uhr, Einlass 19.30 Uhr.www.zelttheater-icking.de

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Quelle:
SZ vom 15.07.2013
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