Süddeutsche Zeitung

Icking:Architekt und Nationalsozialist

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Paul Wenz und seine Frau Else Wenz-Viëtor waren an der NS-Herrschaft beteiligt. Bürgermeisterin Menrad will sich zur Namensänderung der nach ihnen benannten Straße nicht äußern

Von Felicitas Amler, Icking

Paul Wenz (1875-1965) war ein aktiver Nazi. Der Architekt, nach dem in Icking seit 1956 eine Straße benannt ist - der Wenzberg -, trat im Mai 1933 in die NSDAP ein. Er war nicht nur SA-Truppführer in Icking, sondern auch Funktionär der Nazi-Diktatur: als Landesleiter der Reichskammer der bildenden Künste München-Oberbayern. Er war außerdem Auftragnehmer der Nationalsozialisten, da er zentrale Gebäude des NS-Rüstungsbetriebs DAG in Geretsried geplant hat. In Icking wird die Frage, ob nach Wenz eine Straße benannt bleiben darf, im Februar im Gemeinderat erörtert. Bis dahin lehnt es Bürgermeisterin Margit Menrad (UBI) ab, ihre Meinung zu diesem politisch brisanten Thema zu äußern. "Ich nehme nichts vorweg", sagt sie.

Die Frage nach der historisch-politischen Bedeutung von Paul Wenz wird erst jetzt aufgeworfen. Ausgelöst wurde dies durch ein eigenes Kapitel in der aktuellen Ausstellung über die Kinderbuchillustratorin und Designerin Else Wenz-Viëtor im Garmischer Museum Aschenbrenner. Museumsleiterin Karin Teufl beleuchtet darin die Rollen des Ehepaars Else Wenz-Viëtor und Paul Wenz in der Nazi-Zeit.

Auf die NS-Verstrickungen des Ehepaars war der Ickinger Christoph Kessler, Gründer des Vereins Klangwelt Klassik, durch die Ausstellungsbesprechung in der Süddeutschen Zeitung aufmerksam geworden. Er hatte sich deswegen mit einem offenen Brief an die Gemeinde gewandt, in dem er eine Umbenennung des Wenzbergs forderte. Daraufhin stellte sich heraus, dass Paul Wenz' Nazi-Belastung zumindest dem Gemeindearchivar und Zweiten Bürgermeister Peter Schweiger (PWG) durchaus bewusst war. Umso mehr, als er die Garmischer Museumsleiterin bei deren Recherchen über Wenz-Viëtor unterstützt hatte. Zweimal war Teufl deswegen bei Schweiger in Icking. "Wir waren uns einig, dass man das nicht übergehen kann", sagt er zu den NS-Verstrickungen des Ehepaars Wenz. Auf die Frage, warum er nach diesen vertieften Einblicken die Ickinger Straßenbenennung nicht selbst problematisiert habe, sagt er: "Wir haben einkalkuliert, dass das kommt." Er selbst lehnt es derzeit aber wie die Bürgermeisterin ab, sich zum Straßennamen zu äußern. Er habe sich "noch nicht festgelegt", sagt Schweiger. "Es fehlen noch Belege." Die Belege in der Garmischer Ausstellung sind jedoch eindeutig. Sie stammen aus dem Bundesarchiv Berlin, Sammlung Reichskulturkammer und Sammlung Parteikorrespondenz.

Unabhängig von einer historischen Einordnung der Person Paul Wenz hat Bürgermeisterin Menrad eine Befragung der Anlieger des Wenzbergs veranlasst. "Für mich ist es wichtig, was die Leute davon halten", sagt sie. Wenz sei ja "nicht ein Nazi wie der Goebbels" gewesen, der als solcher jedermann bekannt sei. Zum Umgang mit einem Ergebnis der Befragung will sie jedoch ebenso wenig sagen wie zu ihrer eigenen Position. Ob der Wenzberg weiterhin so heißen soll, falls die Mehrheit der Anlieger dies möchte? Auch dazu sagt Menrad nur: "Ich nehme heute keine Sitzung vorweg." Schweiger erklärt zumindest, die Anliegermeinung sei "bestenfalls ein Mosaiksteinchen", jedenfalls "nicht ausschlaggebend".

Paul Wenz ist aus Icking, wohin er mit seiner Frau 1916 gezogen war, allerdings ohnehin nicht wegzudenken. Im Ort stehen nach Schweigers Angaben sechs Häuser, die Wenz gebaut hat, darunter die Villa, deren Grundstück einst einen großen Teil des heutigen Wenzbergs hinunter reichte. In diesem Haus lebte die Familie, bevor sie in ihr späteres Wohnhaus an der heutigen Ludwig-Dürr-Straße - ebenfalls ein Wenz-Bau - umzog. Schweiger sagt, in Buchenhain gebe es außerdem die "Wenz-Siedlung". Der Katalog der Garmischer Ausstellung erwähnt als eines der ersten Häuser, die Wenz plante und baute, das "Haus Schönblick" in Irschenhausen. Das prominenteste Gebäude aber steht in Geretsried: Es ist das Ende der Dreißigerjahre geplante und 1940 fertiggestellte Verwaltungsgebäude der Dynamit Aktien Gesellschaft (DAG). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es - in Gelb und Weiß-Blau statt in der Tarnfarbe Grau gestrichen - das Geretsrieder Rathaus. Außer dem Verwaltungsgebäude der NS-Rüstungsbetriebe hatte Wenz auch die vier sogenannten "Ingenieurhäuser" geplant. Drei von ihnen stehen heute noch, in einem ist das moderne Geretsrieder Stadtmuseum untergebracht.

Für den Arbeitskreis Historisches Geretsried hat Friedrich Schumacher dieses Kapitel erforscht. Der AK soll es, so sein Vorschlag, noch weiter ausleuchten. Die Frage, ob Wenz ein Nazi war, beantwortet Schumacher eindeutig: Einer, der dies nicht gewesen wäre, hätte solche Aufträge nicht bekommen.

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Quelle:
SZ vom 17.01.2017
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