Süddeutsche Zeitung

Hilferuf aus Wolfratshausen-Farchet:Piraten sitzen auf dem Trockenen

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Mütter haben in Eigeninitiative den Spielplatz ihres Wolfratshauser Ortsteils umgestaltet. Doch rund ums Seeräuberschiff, das vor zwei Jahren aufgestellt wurde, fehlt etwas. Zum gewünschten Wasserspielplatz kann sich die Stadt bislang nicht durchringen.

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Es war ein viel beachteter Stapellauf, der sich vor bald zwei Jahren im Wolfratshauser Ortsteil Farchet ereignet hat: Auf dem Spielplatz vor der Mehrzweckhalle wurde ein großes hölzernes Piratenschiff zusammengebaut, mit zwei Decks, Hängebrücke, Rutsche, Masten und Kletternetzen. Die neue Hauptattraktion des Spielplatzes geht zurück auf eine Initiative von Eltern aus der Nachbarschaft: Carolin Mayr, Anwohnerin der Kanalstraße, hatte zusammen mit Daniele Ruben 2015 den Plan gefasst, den maroden Spielplatz wieder zu etwas Besonderem für ihre Kinder zu machen, der Stadtrat hatte das Engagement nach langer Planung gewürdigt und 70 000 Euro für die Umgestaltung im Haushalt bewilligt. Als Mütter, Väter und Kinder mit anpackten, um das Spielschiff aufzubauen, kam auch ein Fernsehteam der RTL-Sendung "Guten Morgen, Deutschland" vorbei.

Das Schiff, das noch mit einer neuen Schaukel und einem Kinderbagger ergänzt wurde, sollte eigentlich längst in seinem Element sein: als Hauptattraktion eines Wasserspielplatzes. Den wollten Mayr und ihre Mitstreiter ursprünglich im Frühling 2019 errichten lassen. Schließlich war nach dem Aufbau des Spielgeräts noch fast die Hälfte der städtischen Mittel übrig. Doch das Piratenschiff liegt seit Ende November 2018 auf dem Trockenen. Bei der Stadt konnte man sich bis jetzt einfach nicht durchringen, einen Wasserspielplatz zu genehmigen.

Die Stadtverwaltung begründet das auf Anfrage mit technischen und hygienischen Schwierigkeiten. Die Trinkwasserhygieneverordnung verlange einen Trinkwasseranschluss, sagt die Bauamtsleiterin Susanne Leonhard. Und der müsse regelmäßig gespült werden, um Keime wie Legionellen zu vermeiden. Die Anlage an den bestehenden Wasseranschluss der Mehrzweckhalle anzuschließen wäre "relativ aufwendig", erklärt Leonhard. "Das würde einen Durchbruch der Kelleraußenwand und zusätzliche Gerätschaften im Keller erfordern." Man habe schon mehrere Gespräche mit den Initiatoren geführt und alle Vorschläge geprüft. Der erforderliche Aufwand stehe "in keinem Verhältnis" zur gewünschten Anlage. Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) sagt dazu: "Wenn wir etwas von städtischer Seite machen, müssen wir die Verantwortung tragen."

Carolin Mayr kann das nicht nachvollziehen. Ihr Mann Korbinian, Fachingenieur für Wasseraußenanlagen, habe der Stadt mittlerweile zwei Planungsvarianten kostenlos vorgeschlagen, sagt sie. Diese beruhten auf einem Hygienekonzept, das auch in der Stadt München bei Wasserspielplätzen angewandt werde. Finanziell sei der Wasserspielplatz realisierbar, glaubt sie, Schließlich seien noch mehr als 35 000 Euro aus den Etatmitteln der Stadt übrig, zudem habe die in diesem Sommer verstorbene Märchenwald-Gründerin Annemarie Diessl 5000 Euro gespendet. Aus dem Stadtrat habe sie immer wieder gehört, der Spielplatz liege doch in unmittelbarer Nähe des Loisach-Isar-Kanals, wo die Kinder im Wasser spielen könnten. Die Zeiten aber hätten sich geändert: Viele Eltern hätten da Befürchtungen und könnten Kinder nicht ständig beaufsichtigen. Der geplante Wasserspielplatz sei das Ergebnis einer Elternbefragung. "Es ist einfach wichtig, den Kindern eine Matsche-Ecke zur Verfügung zu stellen", sagt die dreifache Mutter. Auch in kleinen Dörfern gebe es Wasseranlagen auf Spielplätzen. Mit ihren Mitstreiterinnen wirbt Mayr um Unterstützung der Bevölkerung. In der Facebook-Gruppe "Ein neuer Spielplatz für Wolfratshausen" haben sie nun einen Malwettbewerb ausgelobt: Kinder sollen darstellen, wie sie sich ihren "perfekten Piraten-Wasserspielplatz" vorstellen. Bis 8. November kann man die Bilder dort hochladen, die besten werden dann nach Anzahl der "Likes" bewertet. Der Wolfratshauser Spielzeugladen Tausend hat Preise gestiftet, die Bürgermeister Heilinglechner vergeben soll. Die besten Bilder sollen im neuen "Kunst-Turm" am Schwankl-Eck ausgestellt werden.

"Wir hoffen, dass wir die Stadträte überzeugen können, etwas Neues zu wagen", sagt Mayr. Nach jahrelanger Arbeit wolle sie den Spielplatz endlich fertig stellen. Zumindest die Grünen stellen sich bereits hinter ihr Anliegen. "Es sollen ja keine Wasserfälle gebaut werden", sagt deren Fraktionssprecher Peter Lobenstein. "Und woanders funktioniert es ja auch."

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Quelle:
SZ vom 13.10.2020
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