Süddeutsche Zeitung

Handwerkskunst:Wort-Schatz-Schau

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Sabrina Hohmann lädt zu Entdeckungen in ihr Haus nach Wackersberg ein. Die Goldschmiedinnen Uta Gadner und Alexandra Bahlmann sind dabei

Von Felicitas Amler, Wackersberg

Die Wortschmiedin schmückt ihre Kunst mit Gold, Silber und Edelstein; die Goldschmiedinnen lassen sich mit Worten umschreiben: In Wackersberg, an der malerischen Adresse "Quelle 1" ist am Wochenende eine ungewöhnliche Ausstellung eröffnet worden. Bildhauerin Sabrina Hohmann, die dort lebt und wirkt, geht erstmals mit ihren Wortspielen in die Öffentlichkeit. Dazu hat sie zwei Kollegenfreundinnen eingeladen: die Goldschmiedinnen Alexandra Bahlmann und Uta Gadner, beide handwerklich und akademisch ausgebildete Meisterinnen ihres Fachs.

Gemeinsam haben die drei Ketten und Ohrgeschmeide, Broschen und Ringe zwischen, unter und über Texte aus Hohmanns Wortwerkstatt arrangiert. Ein Gesamtkunstwerk zum Schauen, Lesen, Nachdenken, Bewundern oder produktivem Sich-Wundern. "Sorgfalt. Sorgenfalten" kann man auf einem ungebrannten schmalen Tontäfelchen lesen, auf einem anderen steht "Pain†" - was, wenn man es sich nicht selbst erschließen kann, von der Wortbildhauerin Hohmann mit dem Titel dieses kleinen Werks erklärt wird: "Über Malerei, Schmerz und Tod."

Das klingt ernster, als die ganze Schau es ist. Besucher, die durch den herrlich hohen Gang des ehemaligen Sudhauses am Sauersberg schlendern, wo einst die für Bad Tölz so wichtige Jodquelle entdeckt wurde, nehmen vor allem die Schönheit des Schmucks und das Verspielte der Texte wahr. "Wortschatz und Juwelen" heißt die Ausstellung, und schon hierin zeigt sich Hohmanns Lust an doppeldeutiger Sprache. In vielen Texten jongliert sie mit der Wandelbarkeit eines Wortstamms: Sagen, ansagen, versagen, zusagen, untersagen, absagen gruppieren sich zu einem elfzeiligen ungereimten Gedicht. Unter der Überschrift "ich sticke" formt sich der ohne Punkt und Komma immer und immer wieder wiederholte Satz "ich sticke ich steche Stiche" zu einem Wortstickmuster, das in dem Satz "ich ersticke" vergeht. Und daneben hängt eine wundersame goldschimmernde Brosche, auf die Uta Gadner mit pinkfarbenem Faden ein Muster - tatsächlich: gestickt hat.

Als Sabrina Hohmann vor zwei Jahren mit dem Kunstpreis des Landkreises ausgezeichnet wurde, hatte sie dazu im Saal des Landratsamts ein Werk aufgehängt, das Intellektualität und Witz dieser Künstlerin genauso veranschaulichte wie die aktuelle Ausstellung: ein von ihr aus weißer und schwarzer Wolle handgestricktes Abbild eines 23-teiligen männlichen Chromosomensatzes. Ein Spiel mit (Menschen-)Material? Anlass zu Reflexionen über gentechnische Manipulationen, den Größenwahn des Homo sapiens, bevorstehende Apokalypsen? Oder einfach lustig anzuschauen?

In der Wort-Schatz-Schau hat die Künstlerin selbst zur Eröffnung ein paar Deutungshinweise gegeben. Sie sprach von den Gemeinsamkeiten des Worts und des Schmucks, von der Beziehung zum Körper hier wie dort: "Die meisten Bausteine, die uns befähigen, alles auszudrücken, sind aufs engste mit der stofflichen Welt und mit unserem körperlichen Dasein auf dieser Welt verknüpft. An - ab - auf - unter - über - legen - liegen - setzen - stehen - stellen - halten, und so weiter und so fort - immer kommen wir selbst in diesen Worten vor." Die Besucher dürften, so sagte sie, die kleinen Texte, mit denen sie den Schmuck begleite, durchaus als Spiegel erkennen: "Kleine reflektierende Flächen für ernste Spiele in Sprach- und Selbsterkenntnis."

Spielerisches findet sich gelegentlich auch in Gadners Exponaten, und zwar durchaus im Wortsinn. So hat die Goldschmiedin für einen Ohrschmuck Mensch-ärgere-dich-nicht-Spielfiguren ihrer Urgroßmutter mit vergoldetem Silber zu Creolen verarbeitet; in einigen Broschen stecken quietschbunte Teilchen aus einem alten Flipperautomaten. Bahlmanns Arbeiten wirken auf Anhieb strenger, ernsthafter. Und dennoch spielt auch sie: mit dem Motiv der Kette, mit zwei- und dreidimensionalen Gliedern, mit unterschiedlichen Reihungen und Verzahnungen . .. Das Diktum der Wortschatzsucherin Hohmann erfüllen jedenfalls beide Schmuck-Künstlerinnen: "Zierde übersteigt die Notwendigkeit", so hat sie formuliert: "Sie hebt uns aus ihr heraus." Wie schön!

Wortschatz und Juwelen: Quelle 1, Wackersberg, Samstag/Sonntag, 21./22. Juli, 14 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung, Telefon 0174/922 98 80

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SZ vom 17.07.2018
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