Süddeutsche Zeitung

Großes Interesse:Auf Umwegen zurück in den Job

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Mehr als 180 Frauen kommen zum Aktionstag "Meine Zukunft bin ich" ins Tölzer Landratsamt. Viele suchen nach einer Auszeit einen Wiedereinstieg in den Beruf. Das ist trotz Fachkräftemangels nicht so einfach.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Meike Enzenauer hatte früher einen guten Job. Als "erste Aufnahmeleiterin im Fernsehen" sei sie tätig gewesen, erzählt sie. Aber dann kam das erste Kind und ein Jahr Elternzeit, später das zweite Kind und wieder ein Jahr Elternzeit. "Ich habe gedacht, ich kann leicht wieder einsteigen, aber so einfach ist das nicht", sagt die studierte Soziologin bei der Messe unter dem Motto "Meine Zukunft bin ich" im Landratsamt, die von der "Frau und Beruf GmbH" organisiert wurde. Über deren Servicestelle in Bad Tölz sucht sie nun einen neuen Arbeitsplatz in Teilzeit. "Ich hatte einen Job, wo Teilzeit nicht die Regel ist."

Der große Sitzungssaal des Landratsamtes ist beinahe nicht groß genug, um den Andrang der vielen Frauen und wenigen Männer zu bewältigen. Zwischen den Stellwänden und Tischen der Aussteller schieben sich mehr als 180 Besucherinnen durch, viele nehmen Flyer mit, manche sprechen mit den Vertretern von Wohlfahrtsverbänden, Kliniken, Dienstleistungsfirmen, Bundeswehr und Bildungsträgern. Auch draußen im Foyer herrscht ein dichtes Gedränge. Einige füllen Formulare an einem Tisch aus, andere richten ihre Bewerbungsmappe her oder studieren die Aushänge mit den Stellenanzeigen. Das Publikum ist bunt gemischt: Junge Mädchen im Schulalter sind ebenso vertreten wie ältere Frauen, etliche stammen aus Migrantenfamilien oder sind Flüchtlinge.

Als Klaus Koch am Rednerpult steht, wird es ruhig im Saal. Auch in einer Region mit einer geringen Arbeitslosigkeit sei das Thema Frau und Beruf eine "Riesenherausforderung für unsere Gesellschaft", sagt der stellvertretende Landrat. Es sei heutzutage schwer, seinen Beruf zu verlassen, für den sich die Kompetenzen oft fast stündlich erhöhten, und nach Jahren wieder zurückzukehren. Dann stelle man fest, "ich kann nichts mehr". Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels sei dies dramatisch, sagt Koch. Die Frauen, die nach Elternzeit, Kündigung und Arbeitslosigkeit oder Pflege eines Angehörigen arbeiten möchten, wieder in das Berufsleben zu bringen, bezeichnet er auch als "kommunale Aufgabe". Diese Quelle müsse man ausschöpfen. Dafür gelte es, "eine gesellschaftliche Schneise zu schlagen".

Karin Weiß spricht den Zuhörerinnen in ihrem Impulsvortrag vor allem Mut bei der Jobsuche zu. "Es gibt immer einen Weg, wenn ich erst mal losgehe", meint die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises. Zwar komme man selten auf einem breit ausgetretenen Pfad direkt ans Ziel, aber oftmals seien es gerade die Umwege, die interessant seien. Als wichtig apostrophiert Weiß, dass Frauen neugierig sind und an den Entwicklungen dranbleiben. Denn die Arbeitswelt befinde sich in einem massiven Umbruch, sagt sie. Als Beispiele nennt sie die zunehmende Digitalisierung und die Fortschritte bei künstlicher Intelligenz. In der Altenpflege könnten beispielsweise bald selbstfahrende Roboter eingesetzt werden. Am besten sei es, wenn die Frauen den Wandel als ein Spiel begriffen. "Spielen Sie es kräftig mit", ruft Weiß.

In einer Podiumsdiskussion zum beruflichen Neu- und Wiedereinstieg hebt Udo Kohnen hervor, dass auf dem Arbeitsmarkt im Landkreis mit einer Erwerbslosquote von 2,1 Prozent durchaus Vollbeschäftigung herrsche. "Aber wenn man ihn genauer betrachtet, dann gibt es Fachkräftemangel auf der einen Seite und Bewerbergedrängel auf der anderen Seite", sagt der Geschäftsstellenleiter der Agentur für Arbeit Bad Tölz-Wolfratshausen. Viele Bewerber konzentrierten sich auf den Internetbörsen und Zeitungsanzeigen, auf bekannte Arbeitgeber. "Aber zwei Drittel des Arbeitsmarktes sind verdeckt wie ein Eisberg", so Kohnen. So manche Firmen gingen mit ihrer Messlatte bereits ein wenig herunter. "Was nicht ganz passt, kann man noch passend machen."

Verena Weihbrecht begleitet Frauen auf ihrem Weg zurück in den Job. Sie stellt häufig fest, dass das Selbstwertgefühl nach nur einem Jahr Elternzeit "relativ stark nach unten geht". Die Frauen fühlten sich selbst "nicht anerkannt, nicht wertgeschätzt". Dann sei es schwer, sich bei einem Arbeitgeber mit dem nötigen Selbstbewusstsein vorzustellen, sagt Weihbrecht, die auch als Geschäftsführerin des neuen Unternehmervereins "Wir für Tölz" arbeitet. Dabei hätten gerade Mütter eine Erfolgsgeschichte vorzuweisen, weil sie Kinder erziehen und ins Leben begleiten. "Sie haben dadurch Kompetenzen, sie arbeiten strukturiert und effizient, haben ein Organisationsvermögen."

Für Elisabeth Merz kommt es daneben auch auf harte Fakten an. "Man muss die richtige Bewerbungsmappe haben und sie auf die Unternehmen abstimmen", sagt die Projektleiterin der "Frau und Beruf GmbH" München. Dies bedeute, dass man jede Bewerbung ein wenig anders gestalten müsse. Den Frauen rät Merz dringend, persönliche Kontakte bei der Jobsuche zu nutzen. Netzwerken sei wichtig, betont sie: "80 Prozent der Frauen finden so einen Job." Auch Birgit Dünnwald betätigt, dass Bewerbungen das A und O seien. Firmen achteten darauf, was jemand beruflich gemacht habe und ob das irgendwie zu ihnen passe, sagt die Personalsachbearbeiterin des Maschinenbauers Kern Microtechnik aus Murnau.

Meike Enzenauer hat schon viele Bewerbungen abgeschickt, nur wenige davon für einen Job in ihrem alten Metier. Sie wünscht sich vor allem eines: Die Unternehmen sollten viel mehr Teilzeitstellen schaffen. Auch für Männer.

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SZ vom 07.02.2019
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