Süddeutsche Zeitung

Greiling:Keine Lösung im Kuhglocken-Streit

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In Greiling hat ein Ehepaar einen Bauern verklagt, weil dessen Tiere nachts zu laut seien. Ein Vergleich scheitert - nun wird ein Sachverständiger eingeschaltet.

Von Benjamin Engel, Greiling

Trifft in Greiling die bäuerliche Landwirtschaft des 19. Jahrhunderts auf das natürliche Ruhebedürfnis des modernen Menschen? Im Sinne seiner Mandanten interpretiert dies zumindest der Tölzer Rechtsanwalt Andreas Sander so. Er vertritt ein Ehepaar, das sich von dem nächtlichen Geräusch der Viehglocken auf der Wiese eines Greilinger Landwirts direkt vor ihrem Haus stört. Weil es zwischen 22 und 6 Uhr morgens still sein soll, hat das Paar vor dem Wolfratshauser Amtsgericht geklagt. Doch bislang haben sich die Streitparteien nicht einigen können, weder bei einer Güteverhandlung im Juli, noch danach. Daher soll jetzt ein Gutachten klären, ob das Gebimmel auf der Weide die nächtlich zulässigen Grenzwerte zum Lärmschutz tatsächlich überschreitet oder eben nicht.

So droht sich der Streit hinzuziehen wie bei einem vergleichbaren Fall im nur weniger als 20 Kilometer entfernten Holzkirchen im Nachbarlandkreis Miesbach. Dort ist es erst kürzlich vor dem Oberlandesgericht nach fünfjähriger, juristischer Auseinandersetzung zum Vergleich gekommen.

In Greiling sind bislang offenbar noch nicht einmal die genauen Dimensionen der nächtlichen Störung geklärt. "Es sind nur Kälberglocken", stellt der betroffene Landwirt klar. Das Gericht spreche aber stets nur von größeren Kuhglocken. Auf diesen Unterschied legt der Bauer wert. Denn mit einem Durchmesser von 17 Zentimetern sei eine Kuhglocke lauter als das Kälberexemplar von nur vier bis sieben Zentimetern Durchmesser. "Da kriegt das Gericht noch ein Schreiben", sagt der Beklagte. Heuer habe er nur fünf zwischen drei und sechs Monate alte Jungtiere auf der Weide vor dem Haus der Kläger gehabt. Nachts seien die Kälbchen dort derzeit sowieso nicht, sondern im Stall.

Ginge es nach dem Landwirt, sollten seine Jungtiere aber am besten die ganze Nacht draußen sein. Mit einem Vergleichsvorschlag von nur drei Kälberglocken wäre er durchaus einverstanden gewesen, sagt er. Doch seine Kälber nachts in den Stall zu sperren oder auf der Wiese nur in größerem Abstand zum Haus des klagenden Ehepaars zu lassen, kommt für ihn nicht infrage. "Das mache ich nicht", sagt der beklagte Viehhalter.

Daher hat das Amtsgericht Wolfratshausen Ende August einen Beweisbeschluss gefasst. Laut Gerichtssprecherin Rosemarie Mamisch ist zu prüfen, ob die Lautstärke, die von den Glocken ausgeht, den zulässigen Grenzwert überschreitet. Der Auftrag für das Gutachten werde erteilt, sobald der Landwirt einen Auslagenvorschuss einbezahlt habe, so Mamisch. Die Beweislast liege in diesem Fall nämlich beim beklagten Bauern.

Der Landwirt ist an sich zahlungswillig, gibt aber zu bedenken, dass bei einem Lärmgutachten die Geräusche der nahen Bundesstraße 472 abgezogen werden müssten. Den Klägern wäre indes ein Vergleich lieber. Die Kühe nachts auf dem unteren Teil der Wiese und nur drei kleine Glocken: "Da wäre was zu machen gewesen", sagt ihr Anwalt.

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SZ vom 02.09.2020
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