Süddeutsche Zeitung

Gleichstellung zwischen Schäftlarn und Bad Tölz:Hinein in die Herrenklubs

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Zum Internationalen Frauentag reflektieren vier Lokalpolitikerinnen im SZ-Gespräch über ihre Erfahrungen und über Hindernisse in Gremien und bei Kandidaturen. Städte und Gemeinden sollen "kinder-, frauen- und familienfreundlicher werden"

Von Felicitas Amler

In den Gemeinde- und Stadträten von Schäftlarn, Geretsried und Bad Tölz sollten sich die Männer schon mal auf etwas gefasst machen. Es könnte sein, dass in den konstituierenden Sitzungen nach der Kommunalwahl vom 15. März gleichlautende Anträge auf Änderung der Geschäftsordnung gestellt werden: Die Sitzungen finden künftig am Vormittag statt. Für Frauen mit Kindern wäre dies eine entscheidende Erleichterung ihres politischen Engagements.

Dies hat sich bei einem Gespräch herauskristallisiert, zu dem die SZ Bad Tölz-Wolfratshausen vier Lokalpolitikerinnen gebeten hatte. Mit Blick auf den Internationalen Frauentag an diesem Sonntag wurden Erfahrungen ausgetauscht. Welche Hindernisse erleben Frauen, die sich an ihrem Ort einbringen möchten? Was sehen sie anders als ihre männlichen Mitbewerber? Was würden sie am liebsten sofort ändern? Die Teilnehmerinnen des sehr angeregten Gesprächs: Roswitha Beyer, SPD-Stadträtin in Wolfratshausen, Sonja Frank, Stadträtin der Freien Wähler in Geretsried, Stephanie Schumacher-Gebler, CSU-Stadtratskandidatin in Bad Tölz auf Platz 4, und Miriam Fröhlich, Zweitplatzierte auf der Gemeinderatsliste der Grünen in Schäftlarn.

Von 51 Prozent weit entfernt

Die Situation hat sich in den vergangenen zwölf Jahren von Schäftlarn bis Penzberg nicht wesentlich verbessert: Frauen, die einen Anteil von 51 Prozent an der Bevölkerung haben, belegen im Schnitt gerade einmal 21 Prozent der Sitze. Eklatant ist die Lage in der Stadt Bad Tölz, wo die CSU zwar mit neun Personen im Stadtrat vertreten ist - darunter aber null Frauen. Das soll sich ändern, und deswegen hat die CSU gezielt Frauen zu Kandidaturen ermuntert. Eine von ihnen ist Stephanie Schumacher-Gebler. Als sie ihre ersten Kontakte mit den "alten Hasen" in der CSU schildert, scheinen das die anderen Frauen der SZ-Runde sehr gut zu verstehen. Sie habe von manchen Verschlossenheit und Skepsis gespürt, sagt die 44-Jährige. "Ich dachte, die machen da so ihren Herrenklub." Kurz hatte sie überlegt, wieder abzuspringen - wenn nicht ihr Mann gesagt hätte, sie solle den anderen doch eine Chance geben. Und schon bei der zweiten Versammlung habe sich das Blatt gewendet, inzwischen verstehe sie sich mit den meisten gut und fühle sich und ihre Ansichten ernst genommen. Sie freut sich, dass manche, die schon lange im Stadtrat sitzen, nun doch auch sie, die weniger Erfahrene, nach ihrer Meinung fragen.

Herrenklubs? Sonja Frank erinnert sich mit Schaudern an frühere Stadtratssitzungen in Geretsried, die sie als Zuhörerin erlebt habe. "Das hat mich so abgeschreckt", sagt sie. "Da durfte noch geraucht werden, und es stand Alkohol auf dem Tisch. Und dann sind die sich teilweise so angegangen. Geballte Männerkraft, die auch ziemlich laut war." Das kennt Roswitha Beyer gut. Vor ihrer aktiven Zeit im Wolfratshauser Stadtrat, Ende der Achtzigerjahre, sei es dort oft gar nicht kollegial zugegangen, erzählt sie: Es sei immer nur gerufen worden: "Obstimma, obstimma, hamma ois diskutiert, obstimma!" Sie lacht. Eine schüchterne Frau hätte sich da gar nicht hineingewagt. "Aber schüchtern war ich mein Leben lang nie."

Auch Frank, die sagt, sie sei von Klein auf politisch interessiert gewesen, hat dann doch eine Kandidatur gewagt. Das heißt, sich hat sich davon überzeugen lassen, dass das gut wäre. "Das Entscheidende war, dass wir eine Bürgermeisterin bekommen haben." Die hieß Cornelia Irmer, war damals parteilos und von einer Gruppe getragen, der auch Franks Eltern angehörten. Die Atmosphäre im Stadtrat habe sich nach Irmers Wahl 2004 spürbar verbessert: "Ganz geschmeidig, die Aggression war draußen, niemand hat mehr einfach reingeschrien, es herrschte mehr Disziplin, ganz anders als früher."

Atmosphäre ist ein Kriterium, an dem Frauen ihre Bereitschaft zu politischem Engagement ausrichten. Konkrete Rahmenbedingungen sind ein anderes. Und für viele ist dies vor allem die Frage, ob und wie sie ein Mandat mit der Sorge für eigene Kinder unter einen Hut bringen können. Miriam Fröhlich, 28 Jahre alt und gerade mit ihrem ersten Kind schwanger, hat sich sehr bewusst mit ihrem Mann darauf vorbereitet. Als die Grünen in Schäftlarn Kandidaten und vor allem Kandidatinnen suchten, da hätten sie gesagt: "Wir probieren es, wir als Paar." Ihr Mann sei bereit, viel Verantwortung fürs Kind zu übernehmen, um ihr den Rücken für den Gemeinderat freizuhalten.

Ganz so leicht ist das für Schumacher-Gebler nicht. Ihr Mann arbeitet in Frankfurt, ist also wochentags nicht für Familienarbeit verfügbar. "Es ist nicht so einfach, dass man alles haben kann, vier Kinder und dann hier teilnehmen und dort. Es ist ein irrsinniges Hamsterrad", sagt sie. Gemeinsam mit ihrem Mann, der ihr Engagement unterstütze, habe sie sich für eine "finanzielle Lösung" entschieden: "Wir haben für die Zeit ein Au-pair-Mädchen eingestellt." Ohne diese Hilfe von außen hätte sie keine Chance gesehen.

Die Familie muss eine Kandidatur jedenfalls mittragen, da sind sich alle einig. Beyer sagt, ihr Mann sei "von Haus aus emanzipiert gewesen". Frank erzählt Ähnliches von ihrem Mann, aber auch die beiden größeren Söhne hätten mitgeholfen.

Übereinstimmend betonen alle Gesprächsteilnehmerinnen, wie nötig es sei, dass Frauen ihre Sichtweise in die Politik einbringen. Schumacher-Gebler schildert das Beispiel eines Stadtspaziergangs der Tölzer CSU, bei dem sie auf den langen Weg vom Gries hoch zu Kindergarten und Spielplatz hinwies. "Das ist doch irrsinnig", habe sie zu den anderen gesagt, "dass man hier nur über Stufen nach oben kommt - was meint ihr, wer hier morgens und mittags langgeht? Mütter mit Kindern im Kinderwagen." Ein Parteifreund habe geantwortet: "Dann gehst halt mal ein Jahr lang außenrum." Da habe sie sich gedacht: "Ich mache bei euch mit, damit unsere Belange auch gehört und gesehen werden. Man könnte ja auch eine Rampe bauen."

Frank nickt. Sie denkt an ihren Antrag auf finanzielle Unterstützung für Lastenfahrräder. Sie wisse von so vielen Müttern, für die das eine große Hilfe wäre. Der Geretsrieder Stadtrat hat das mehrheitlich abgelehnt - hätte er nicht, meint Frank, wenn mehr junge Frauen drinsäßen. Beyer unterstreicht das: "Die Frauen sollen Mut fassen, sich einbringen, ihre Sichtweise einbringen." Schumacher-Gebler sagt: "Es ist so dringend notwendig, dass wir mit unserer Erfahrung und unserer Perspektive reinkommen, weil die Stadt einfach an bestimmten Stellen anders gestaltet werden muss, und zwar so, dass sie kinder- und frauen- und familienfreundlicher ist." Das sei auch ihre Motivation gewesen, sagt Beyer. Sie habe sich dafür einsetzen wollen, dass Mütter arbeiten können. Als sie im Jahr 2003 zu einem Wolfratshauser Verwaltungsmitarbeiter gesagt habe, "wir brauchen mehr Kindergarten-Plätze", da habe sie glatt zur Antwort bekommen: "Wollen Sie DDR-Verhältnisse?"

Warum nur Jugend und Soziales?

Alle in der Gesprächsrunde wünschen sich aber auch, nicht auf die üblichen Themen reduziert zu werden. "Als Frau darf man bei uns in den Jusskus gehen", sagt Frank - das ist der Ausschuss des Geretsrieder Stadtrats für Jugend, Senioren, Soziales, Kultur und Sport. Dabei interessiere sie ich durchaus für den städtischen Haushalt - und verstehe diesen auch, obwohl einige Männer dauernd betonten, wie schwierig der sei.

Miriam Fröhlich hat ähnliche Erfahrungen. Sie habe sich mit Blick auf ihre Kandidatur mit dem Schäftlarner Haushalt befassen wollen, erzählt sie, und sei dafür von einem grünen Parteifreund belächelt worden. Die Zahlen habe sie nicht bekommen, sei aber in die Haushaltssitzung gegangen - zum Erstaunen des skeptischen Parteifreunds.

Beyer erzählt, vor ihrer ersten Stadtratskandidatur 2002 habe sie eigens ein Seminar zum kommunalen Haushalt besucht. "Ich habe mich vorbereitet, aus der Sorge, sonst nicht mitreden zu können." Typisch Frau, meint Frank: " Wir haben diese Sorge, die Männer nicht." Ja, alle stimmen zu, die Frauen stellten ihr Licht oft unter den Scheffel.

Schumacher-Gebler erinnert das an die Kurzvorstellung vor der Listenaufstellung der Tölzer CSU. Die meisten Frauen seien ziemlich aufgeregt gewesen, hätten ihre Sache dann aber so gut gemacht. "Wir waren zügig durch, wir haben nicht den Faden verloren, wir haben nahezu alle frei gesprochen." Mancher Mann habe sich im Vergleich dazu deutlich weniger souverän präsentiert. Die Angst, nicht bestehen zu können, sei völlig unbegründet gewesen. Überhaupt finden die vier, die meisten Frauen machten sich mehr Gedanken, bevor sie etwas sagten. "Wir wollen keinen angreifen und nichts Dummes sagen", erklärt Frank; "und auch nicht zum dritten Mal wiederholen, was schon A und B gesagt haben", wirft Schumacher-Gebler ein.

Motiviert sind diese politisch aktiven Frauen, das spürt man. Bleibt nur das Problem mit den Terminen. "Diese Sitzungen am Abend, die sind echt der Killer", sagt die Tölzer CSU-Kandidatin. Sie verstehe gar nicht, warum man das nicht ändere. Bei einem von Landtagspräsidentin Ilse Aigner organisierten Frauentreff hätten einige bayerische Bürgermeisterinnen und Landrätinnen berichtet, dass sie nach Amtsantritt die Sitzungen auf den Vormittag gelegt hätten: "Damit Frauen besser an der Politik teilhaben können."

Sonja Frank zeigt sich bereit, dies gleich nach der nächsten Wahl anzugehen. Und Fröhlich glaubt, dass es ganz gut ist, wenn sie jetzt als Schwangere in den Gemeinderat gewählt wird: "Weil Männer sich dann damit konfrontieren müssen, dass wir Frauen immer präsenter sind und was das mit sich bringt." Frank denkt schon über eine Kinderbetreuung während der Sitzungen nach.

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Quelle:
SZ vom 07.03.2020
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