Süddeutsche Zeitung

Gewerbegebiet Benediktbeuern:Reif für den Bürgerentscheid

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Die Initiative zur Rettung des Lainbach-Walds hat 300 Unterschriften mehr gesammelt als erforderlich. Der Gemeinderat beschließt am 15. November, ob abgestimmt wird

Von Klaus Schieder, Benediktbeuern

Das hat es in Benediktbeuern noch nie gegeben: Nachdem die Bürgerinitiative Lainbach-Wald knapp 500 Unterschriften - und damit etwa 200 mehr als erforderlich - gesammelt hat, steht das Klosterdorf zum ersten Mal in seiner Geschichte vor einem Bürgerentscheid. Die Wahlberechtigten in Benediktbeuern sollen darüber befinden, ob drei Hektar Wald am Lainbach der Erweiterung des Gewerbegebiets am Mondscheinweg zum Opfer fallen, oder ob der Forst unangetastet bleibt. "Das ist historisch", sagte Cölestin Allgäuer, Mitinitiator und Gemeinderat (Freie Bürgerliste Miteinander), am Donnerstag bei der Übergabe der Unterschriftenliste im Rathaus.

Die Kommune möchte ihr Gewerbegebiet ausdehnen und damit mehr Platz für einheimische Betriebe schaffen. Und zwar ausschließlich für solche, wie Bürgermeister Hans Kiefersauer (CSU) betonte. "Das sind keine Fremden." Dafür sollen im Süden drei Hektar Wald am Lainbach abgeholzt werden. Das bestehende Gewerbegebiet, das vor zwei Jahrzehnten ausgewiesen wurde, ist inzwischen voll belegt, was für Kiefersauer auch "die Erfolgsgeschichte von Benediktbeuern" zeigt. Außerdem sagte der Bürgermeister: "Wir leben im Dorf nicht mehr vom Tourismus." Wenn Arbeitsplätze geschaffen würden und Leute nicht mehr ihres Jobs wegen nach München fahren müssten, dann habe auch dies mit Nachhaltigkeit zu tun.

Laut dem Naturschutzgesetz sind bachbegleitende Wälder von einer Bebauung freizuhalten. Diesen Schutz genießt auch der Lainbach-Wald. Allerdings sind Ausnahmen möglich, wenn eine Baumaßnahme überwiegend aus öffentlichem Interesse notwendig ist. In Vorfeld habe man auch andere Flächen für ein Gewerbegebiet geprüft, sagte Kiefersauer. Ohne jedoch zu einem Ergebnis zu kommen. Manche Areale liegen zu nahe an Bauernhöfen, die Flächen nördlich des Gewerbegebietes befinden sich meist in Privatbesitz, und die Kommune müsste sie erst von einer ganzen Reihe Eigentümer kaufen. Der Lainbach-Wald gehört der Gemeinde selbst. "Vom Holzbestand her ist er minderwertig", führte der Bürgermeister einen forstwirtschaftlichen Aspekt an.

Für die Bürgerinitiative ist der Wald dagegen vor allem wegen seiner "Biotop-Verbund-Funktion" von herausragender Bedeutung, wie Allgäuer erklärte. Er bildet einen Korridor von den Bergen bis hinab zum Kochelsee-Loisach-Moor und bietet Tieren eine durchgehende Wandermöglichkeit. Überdies sei er "extrem wichtig für die Artenvielfalt", sagte die ehemalige Gemeinderätin Claudia Wenzl, die zur Bürgerinitiative gehört. Deshalb gehe es eben explizit um dieses Waldstück, ergänzte Hans Schweiger. Die Funktion, die der Forst am Lainbach habe, dürfe nicht zerstört werden. Zugleich stellte er klar: "Wir sind nicht generell gegen ein Gewerbegebiet." Unterstützt wird die Bürgerinitiative vom Bund Naturschutz, vom Landesbund für Vogelschutz, den Naturfreunden Loisachtal und von der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt.

"Sind Sie dafür, dass der Wald entlang des Lainbachs im Bereich des geplanten Gewerbegebietes Süd in seiner jetzigen Form und Größe erhalten bleibt?" Über diese Frage müssten die Benediktbeurer in einem Bürgerentscheid abstimmen. Die Gemeinde wird in den nächsten vier Wochen die Zulässigkeit der gesammelten Unterschriften und der Fragestellung prüfen. Ob es zu einem Bürgerentscheid kommt,beschließt der Gemeinderat in seiner Sitzung am Mittwoch, 15. November. Lehnt er ab, kann die Bürgerinitiative dagegen klagen - "das hängt davon ab, wie die Begründung ist", sagte Allgäuer. Stimmt das Gremium zu, kommt es im Februar 2018 zum Bürgerentscheid. An dem Gang zur Wahlurne müssen sich 20 Prozent der stimmberechtigten Dorfbewohner beteiligen, damit die Abstimmung gültig ist.

Beantwortet eine Mehrheit die Frage mit Ja, bleibt der Wald am Lainbach unangetastet. Bei einem Nein zeigt sich Bürgermeister Kiefersauer zu einem Kompromiss bereit. So könnte bei einer Ausdehnung des Gewerbegebiets nicht bloß ein zehn, sondern ein 40 Meter breiter Streifen bestehen bleiben. Dann würden nur zwei statt drei Hektar Wald gefällt. Wichtig ist ihm, dass über dem Bürgerbegehren nicht der Friede im Klosterdorf in die Brüche geht. "Ich möchte, dass man jetzt und in der Zukunft fair miteinander umgeht." Für Allgäuer ist das Tauziehen um den Lainbach-Wald vor allem eine Frage der Werte. Dem einen seien Arbeitsplätze und Gewerbe am wichtigsten, dem anderen der Erhalt der Natur: "Das sind zwei Positionen, die wirst du nie zusammenkriegen."

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SZ vom 13.10.2017
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