Süddeutsche Zeitung

Geretsried:"Wir auf der Alm brauchen die S-Bahn so direkt nicht"

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Wird die S-Bahn bis nach Geretsried verlängert, dann hält sie fast vor seiner Haustür: Almwirt Klemens Schwaighofer zeigt sich irritiert über den Trassenausbau.

Bernhard Lohr

Auf der Königsdorfer Alm gibt es alles, was das Herz begehrt. Kühe grasen auf grünen Wiesen, dazu kommt ein gemütlicher Biergarten. Wer dort einkehrt, hat schon mal das Glück, dass vor der Hütte Musikanten spielen. Wenn die S 7 nach Geretsried verlängert würde, wäre man vom Endbahnhof zu Fuß in zehn Minuten dort. Bernhard Lohr fragte Klemens Schwaighofer, wie er sich als Wirt einer Alm mit S-Bahnanschluss fühlen würde.

SZ: Es klingt verrückt. Aber Sie werden womöglich die erste Alm mit S-Bahnanschluss in Mitteleuropa.

Klemens Schwaighofer: Naja, das stimmt natürlich schon. Das klingt für uns schon ganz schön spektakulär.

SZ: Sie bekommen bald Münchner Kundschaft für Ihre Almwirtschaft.

Klemens Schwaighofer: Münchner Gäste haben wir jetzt schon, wenn auch im kleinen Rahmen. Sicher, für die Stadt Geretsried ist der Wunsch, die S-Bahn zu bekommen, verständlich. Aber als Almwirt sehe ich die Entwicklung mit gemischten Gefühlen.

SZ: Sie klingen nicht begeistert.

Klemens Schwaighofer: Wir auf der Alm brauchen die S-Bahn so direkt nicht.

SZ: Warum denn?

Klemens Schwaighofer: Unsere Alm ist eine mehr als 100 Jahre alte Einrichtung. Sie wurde 1907 gegründet. Sie hat eine große Tradition, und die wollen wir für unser Kinder und die Nachwelt erhalten. Wenn jetzt die S-Bahn kommt, habe ich bisschen Zweifel, ob das so möglich sein wird.

SZ: Befürchten Sie, dass aus Ihrer Almwirtschaft sowas wie die Großhesseloher Waldwirtschaft wird?

Klemens Schwaighofer: Das kann ich nicht sagen, weil ich die Waldwirtschaft nicht kenne. Es gibt viele Großunternehmen, die sich nur noch der Form halber Alm nennen. Bei uns ist das anders. Wir sind eine richtige Alm, weil wir noch Vieh auf der Weide haben. Es sind zwar nur zehn Jungtiere, aber das wollen wir erhalten.

SZ: Alm mit S-Bahnanschluss: Ist das nicht ein Widerspruch in sich?

Klemens Schwaighofer: Das war hier mal eine große Einrichtung. Als die Weidegenossenschaft das 1907 errichtet hat, gab es hier 120 Stück Vieh, auch Pferde und Schweine wurden gehalten und Butter und Käse hergestellt. Vom Frühjahr bis zum Herbst waren Hirten angestellt. Das war eine riesengroße Alm mit Weidebetrieb.

SZ: Bei Ihnen kommt ja noch dazu, dass ihre Alm keineswegs am Berg liegt.

Klemens Schwaighofer: Da haben wir eine gewisse Ausnahmesituation. Man sagt ja in der Regel, man geht rauf auf die Alm. Bei uns ist das umgekehrt. Königsdorf liegt auf dem Berg: Wir fahren zur Alm runter und nach Königsdorf rauf.

SZ: Und bald haben Sie nur noch einen Katzensprung zur S-Bahn rüber.

Klemens Schwaighofer: Der Bahnhof wäre immer noch einen guten Kilometer entfernt, er wäre nicht einsehbar von uns aus, weil ein Wald dazwischen liegt. Ein gewisser Abstand wäre immer noch vorhanden.

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Quelle:
SZ vom 23.06.2010
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