Süddeutsche Zeitung

Festivals und Gedenktafeln:Bad Tölz entdeckt Thomas Mann

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Nach dem Erfolg des Gedenkjahrs 2017 will sich die Stadt mit dem Schriftsteller auch künftig auseinandersetzen.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Das Thomas-Mann-Jahr hatte gerade erst begonnen, als Initiator Christof Botzenhart seinen Blick schon auf die Zeit danach warf. Er wünsche sich, dass mit dem Veranstaltungsreigen nicht bloß ein einmaliges Feuerwerk abgebrannt werde und der Schriftsteller, der eine Sommervilla in Bad Tölz gebaut hatte, hernach nicht sofort wieder in Vergessenheit falle, hob er während der Eröffnungsfeier im vergangenen Jahr hervor. Zuvor war der Schöpfer der "Buddenbrooks" kaum jemals ein Thema in der Kurstadt gewesen, nach den Festlichkeiten soll er nun aber auch in Zukunft sichtbar bleiben. Botzenhart schwebt dazu ein Thomas-Mann-Festival vor, das an einem Wochenende über die Bühne gehen soll.

Das Programm mit Tagungen, Lesungen, Ausstellungen, Filmen und Führungen hatte 2017 deutschlandweit die Aufmerksamkeit auf die Kurstadt gelenkt und war ein erheblich größerer Erfolg, als die Organisatoren selbst erwartet hatten. "Ein Knaller", resümiert Botzenhart. Das habe viel weitere Kreise gezogen, "als ich je erhofft habe", sagt Martin Hake, profunder Thomas-Mann-Forscher aus Bad Tölz. Nicht weniger als rund 170 Veröffentlichungen hatte es zum Tölzer Thomas-Mann-Jahr gegeben, sogar die Thomas-Mann-Gesellschaft aus Lübeck war zu ihrer Jahrestagung ins Kurhaus gekommen.

Ein ähnlicher Kraftakt ist für heuer nicht vorgesehen. Auch wenn er von der Tourist-Information hervorragend unterstützt worden sei, so habe "der inhaltliche Input" doch an ihm selbst gelegen, sagt Botzenhart, der Studiendirektor am Geretsrieder Gymnasium, außerdem CSU-Stadtrat und Dritter Bürgermeister von Bad Tölz ist: "Da bin ich letztes Jahr schon an meine Grenzen gekommen." Dennoch schwebt ihm vor, ein Thomas-Mann-Festival zu etablieren, das einmal pro Jahr oder auch alle zwei Jahre an einem Wochenende stattfindet. Mit Musik, mit Lesungen, mit Filmen. "Einfach um zu zeigen, wir sind am Thema dran", sagt Botzenhart. Dazu wären allerdings Fördermittel der Stadt notwendig. Um erfolgreich zu sein, könne er nicht alleine Leute aus der Region engagieren, erklärt er: "Da müssen auch Namen ziehen." Das kostet eben.

Ein solches Fest ist vorläufig nur eine Idee, die Botzenhart mit den Verantwortlichen in der Stadt erst noch besprechen muss. Sicher ist, dass Forscher Martin Hake am Sonntag, 8. April, 11 Uhr, zusammen mit Ludwig Retzer in einer Matinee in der Alten Madlschule auftritt. Veranstalter ist der Kulturverein "Lust". Retzer wird dabei aus der Erzählung "Herr und Hund" von Mann lesen, Hake zeigt unter anderem Fotografien von Bad Tölz aus der Zeit des frühen 20. Jahrhunderts. Von 1909 bis 1917 hatten Thomas und Katia Mann zusammen mit ihren Kindern Klaus, Erika, Golo und Monika die Sommerfrische in der Villa an der Heißstraße verbracht, die der Schriftsteller vom Architekten Hugo Röckl hatte erbauen lassen. Ein anderes Foto hat Hake von Stasi Halder. Seinerzeit war sie die Pächterin des Cafés Kogel und verkaufte dem berühmten Dichter einen Hund - eben jenen Bauschan, den er dann in der Erzählung verewigte.

Über das Thema "Ansichten und Einsichten der Heilkunst im 'Zauberberg'" referiert Dr. Katrin Max von der Universität Leipzig am Dienstag, 15. Mai. Diese Veranstaltung findet in der alljährlichen Vortragsreihe des Historischen Vereins Bad Tölz statt. Eine Serie von Referaten, die sich nur um Thomas Mann drehen, sei dieses Jahr nicht möglich, sagt Botzenhart. Zu diesem speziellen Thema könne man auch hier schließlich nicht bloß aus Fachleuten schöpfen, die aus der Umgebung stammen. So viele gibt es dort auch wieder nicht. Und auswärtige Experten müssten so gut bezahlt werden, dass ihr Honorar nicht für Übernachtungskosten und Verpflegung draufgehe.

Eine Zusage hat Botzenhart von Albert von Schirnding. Der auf Schloss Harmating lebende Dichter, der vergangenes Jahr seine Erstausgaben von Thomas-Mann-Werken für eine Sonderausstellung im Tölzer Stadtmuseum zur Verfügung gestellt hatte, will über die Roman-Tetralogie "Josef und seine Brüder" von Mann referieren - allerdings erst 2019.

Die Villa an der Heißstraße gehört den Armen Schulschwestern und bleibt Besuchern verschlossen. Sie gehört zu jenen Anwesen wie dem in Pacific Palisades in den USA, die Mann nicht von Vorbesitzern übernommen, sondern selbst hatte bauen lassen. Ein solcher Landsitz befindet sich auch in Nidden, dem heutigen Nida in Litauen. Der Ort an der Kurischen Nehrung war einst eine Künstlerkolonie, wo sich auch der Maler Lovis Corinth aufhielt, der am Walchensee lebte und das Altarbild in der evangelischen Kirche in Tölz schuf. Das Sommerhaus, das er dort 1930 errichten ließ, gönnte sich Mann von dem Geld, das er 1929 für den Literaturnobelpreis erhalten hatte. Lange konnte er sich an diesem Sitz allerdings nicht erfreuen. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten durfte er sich nicht mehr da hin trauen.

Das Kulturzentrum in Nida zählt zu dem neuen "Netzwerk der Mann-Häuser". Zu diesem Bund haben sich das Buddenbrooks-Haus in Lübeck, das Mann-Archiv in Zürich, das Mann-Haus in Pacific Palisades, das Literatur-Archiv Monacensia in München und eben Nida im Dezember vorigen Jahres zusammengeschlossen. "Die Idee ist, dass sich die Thomas-Mann-Orte austauschen und gegenseitig Werbung machen", sagt Hake. Und wo bleibt da Bad Tölz? Die Kurstadt habe nun mal weder ein eigenes Museum noch eine Forschungseinrichtung wie die anderen in diesem Netzwerk, erklärt Botzenhart. Dazu fehle schlicht die Man-Power. Allerdings sei Tölz so etwas wie ein assoziiertes Mitglied. Dafür wird an anderer Stelle das Thomas-Mann-Jahr weitergedreht. Auf Informationstafeln soll die Geschichte der berühmten Familie in Bad Tölz erzählt werden, daran arbeiten gerade das Stadtarchiv und die Tourist-Information. Die Schaubilder mit Texten sollen Botzenhart zufolge einmal rund um die Villa an der Heißstraße, am Café am Wald, wo Thomas Mann mitunter Gäste einquartierte, oder an den Bäumen am Alten Bahnhof stehen.

An jenen Orten also, die der Familie damals am meisten vertraut waren.

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SZ vom 03.03.2018
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