Süddeutsche Zeitung

Energie:Wen elektrisiert's?

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Sauberen Strom? Will doch eigentlich jeder. Solarzellen hat trotzdem immer noch kaum jemand auf dem Dach. Und auch viele Firmen lassen Energiesparpotenziale einfach ungeachtet liegen. Unterwegs mit dem Umweltberater

Von Nora Schumann

Ein Zuwachs an grünen Wählern, die Fridays-for-Future-Demos, der geplante Kohleausstieg - der Klimawandel dominiert weiterhin den gesellschaftlichen Diskurs. Eng verbunden mit dem Thema CO2-Ausstoß ist dabei die Frage nach der richtigen Energieversorgung. Denn Öl, Kohle und Erdgas tragen ihren eigenen Teil zur Erderwärmung bei.

Der Verein Bürgerkraft Isartal hat sich im Zuge der Energiewende aus engagierten Bürgern gegründet, die das Zepter selbst in die Hand nehmen wollten. Das Ziel ist eine "Transformation hin zu dezentraler, erneuerbarer Energieversorgung", sagt Uwe Forgber, Initiator und Mitbegründer des Vereins. Der gelernte Architekt wohnt in Schäftlarn und hat die Schwierigkeiten hautnah miterlebt, die es dabei gab, die nach Fukushima beschleunigte Energiewende konkret umzusetzen. Damals entbrannte zwischen Teilen der Gemeinde Berg und der Gemeinde Schäftlarn ein erbitterter Streit um den Bau von Windrädern in den Wadlhauser Gräben. Das Anliegen des Vereins sei eine neutrale Aufklärung zum Thema Energiewende gewesen, deshalb sei man auch nicht in die Politik gegangen, so Forgber. "Politik spaltet nur", sagt er. Im Bürgerkraft-Verein sei es gelungen, Gemeinderäte aus dem gesamten politischen Spektrum zu vereinen.

Forgber beschäftigt sich beruflich mit Software und Projektentwicklung. Das Thema Energie interessiere ihn vor allem persönlich. "Ich bin Pragmatiker", sagt er, "wenn's was zu tun gibt, dann mache ich das." Die derzeitige Diskussion um den Klimawandel ist ihm zu "aufgeregt, politisch und dogmatisch". Er hält globale Diskussionen für schwer greifbar, umso sinnvoller erscheint ihm Aufklärung auf lokaler Ebene. "Bewusstseinsarbeit" nennt er das, was sein Verein tut. Am Ort das verändern, was verändert werden kann. Autarkie von Gebäuden beispielsweise sei absolut erreichbar. "Mittlerweile geht es dem Verein eigentlich um Nachhaltigkeit insgesamt", sagt Forgber. Die Energiewende als isoliertes Thema sei veraltet: "Die Sau ist durch's Dorf getrieben", konstatiert er.

Die ehrenamtlichen Helfer des Vereins arbeiteten aus "intrinsischer Motivation", wie Forgber sagt. Ein kleiner Kern von zwölf Leuten kümmert sich um die redaktionelle Ausgabe der Informationsbroschüre, weitere 150 Mitglieder seien ideell dabei, erklärt er. Zwei Mal im Jahr gibt der Verein die Informationsbroschüre heraus. Derzeit beschäftigt sich die Bürgerkraft Isartal mit Themen wie Ernährung und Umweltvergiftung. Die Weichen seien damit richtig gestellt, sagt Forgber. Nun müsse man sich mit dem "Wie" beschäftigen: Wie kann ein umweltverträglicheres Leben tatsächlich gelingen? "Da ist noch viel zu tun", sagt Forgber.

Beim Aspekt Energieeinsparung kann Ulrich Kupper die Frage nach dem "Wie" ausführlich beantworten. Kupper gehört mit zur Gründungsriege des Vereins Bürgerkraft Isartal. Seit mehr als zehn Jahren ist der 57-Jährige als selbständiger Energieberater für Unternehmen tätig. "Ich habe am Anfang für den Verein auch private Beratungen übernommen", erzählt er. Irgendwann sei ihm das zusätzlich zur Selbstständigkeit zu viel geworden. Heuer berate er nur noch geschäftlich und ausschließlich Unternehmen.

Zum Beratungstermin trägt Kupper Hemd und Sicherheitsschuhe, unter dem Arm klemmt ein großes Tablet. Seit 2015 sind Unternehmen in Deutschland ab einer Größe von über 250 Mitarbeitern dazu verpflichtet, im Abstand von vier Jahren ein sogenanntes Energieaudit durchzuführen. Dabei werden mindestens 90 Prozent des Energieverbrauch der Unternehmen von einem speziell ausgebildeten Experten geprüft und Maßnahmen zur Einsparung vorgeschlagen. Die jeweiligen Firmen sind jedoch nicht verpflichtet, die Einsparmaßnahmen umzusetzen. Also alles bloß heiße Luft?

"Leider ist es schon oft so, dass es nicht umgesetzt wird", sagt Kupper. "Gerade beim Rückgewinnungsthema denke ich manchmal, man würde es am liebsten selbst bezahlen", erzählt er. An einem Beispiel erläutert er: "Wenn sich die Investition zur Energieeinsparung innerhalb von vier Jahren amortisiert, das entspräche einer 25-Prozent-Rendite bei der Bank!" Die Firmen würden dennoch oftmals nicht so langfristig planen wollen. "Manchmal denkst du, das kann ja wohl nicht wahr sein", sagt Kupper kopfschüttelnd.

Die Firma Bauer Kompressor in Geretsried dagegen hat die wirtschaftlichen Einsparpotenziale erkannt und bereits vor Jahren einen technischen Energiemanager angestellt. Dieser heißt Peter Reichhart und weiß auf jede Frage des Energieberaters Kupper eine Antwort. Kupper prüft die Firma zum zweiten Mal. Nach einem Vorgespräch präsentiert Reichhart die energetischen Daten über Verbrauch und eine Liste mit den vorgeschlagenen Maßnahmen von vor vier Jahren. Handschriftlich hat er ein "erledigt", "nicht umsetzbar" oder "offen" dazu notiert.

"Das mit dem Know-How hier ist gut", sagt Kupper. In einigen Firmen komme es vor, dass sein Ansprechpartner von der Materie keine Ahnung habe und man die Unterlagen erst gemeinsam zusammensuchen müsse. Peter Reichhart dagegen erklärt, dass ihn das Thema der Energieeffizienz schon vor der 2015 eingeführten Regelung interessiert habe. "Ich hatte schon vor der Verpflichtung 24 verschiedene Maßnahmen umgesetzt", erzählt er. Beispielsweise nutzt die Firma Bauer die Wärme ihres Serverraums im Winter zum Heizen der Arbeitsräume. Auch das erhitzte Kühlwasser werde zu Heizzwecken wiederverwendet, erklärt er. Gerade erst habe er einen Anbieter für Ultraschallkameras eingeladen, um Leckagen festzustellen, also Leckstellen in der Druckluftleitung. Diese entstünden durch alte Dichtungen oder Verschleiß, erklärt Reichhart. "15 Prozent Abgang hat man eigentlich immer", ergänzt Kupper. "Bei einem rund einen Millimeter großen Loch entspräche das aber Tausenden von Euro Verlust im Jahr." Druckluft sei die teuerste Energie, weil technisch aufwendig aufbereitet, fügt Reichhart hinzu.

Energieberater und Energiemanager fachsimpeln noch eine Weile miteinander, bevor sie sich zur Besichtigung der Werkräume aufmachen. Lüftungsanlagen, Heizanlagen, Beleuchtung - bei allem wird besprochen, ob sich Verbesserungen finden lassen. Ein Beispiel für Energieverschwendung seien zum Beispiel kleine, dünne Rohre mit vielen Biegungen, erklärt Kupper. Zu viel Widerstand. "Ich habe überlegt, ob man aus dem Verpackungsholz eine Hackschnitzelanlage machen könnte", erzählt Reichhart. Bei Bauer fielen im Jahr schließlich rund 70 Tonnen Holz an. "Dafür bräuchte ich aber einen Praktiker, der mir sagen kann, ob sich das lohnt." Kupper schreibt und nickt.

Die Halle 1 bei Bauer Kompressoren ist eine moderne Halle mit großen Glasfenstern im Dach durch die natürliches Licht hereinfällt - Lampen? Die spart man sich so zum Teil. Herausfordernder seien in dieser Hinsicht alte Bauten, in denen Anlagen seit Jahrzehnten gewachsen seien und die man nun energieeffizient gestalten müsse, erklärt Kupper. Auch wenn einige Unternehmen mehr Interesse an der Energieeinsparung zeigten als andere - wirtschaftlich lohnend müsse es immer sein. Mit einer möglichen Steuer auf CO2 würde sich der Markt wiederum ändern, überlegt er laut: "Plötzlich lohnen sich Sachen, die man jetzt nicht angehen möchte." Denn bei einer Sache ist sich Kupper sicher: "So wie's jetzt ist, kann's nicht bleiben."

Für Veränderungen setzt sich auch Stefan Drexlmeier von der Bürgerstiftung Energiewende Oberland ein. Neben individueller Energieberatung für Privatleute forscht die Stiftung derzeit intensiv an Speichermöglichkeiten. "Beim Thema Energie sind die Speicher immer noch ein Schwachpunkt", sagt Drexlmeier. Er ist ein Befürworter von mehrdimensionalen Ansätzen. Es muss nicht die eine Lösung für alles geben, findet er. Als Beispiel nennt er Trafohäuschen für ein Wohngebiet oder auch die Möglichkeit eines Pumpspeicherkraftwerks.

Die Energiewende Oberland setzt sich für eine regionale und dezentrale Versorgung ein. Wenn der Verbraucher wisse, dass die Kilowattstunde aus dem Stromnetz elf Cent mehr koste als der eigens auf dem Dach produzierte Strom, dann richte er das eigene Handeln danach, schalte etwa die Waschmaschine eher an einem sonnigen Tag ein, ist Drexlmeier überzeugt. "Der Kreislauf ist dann näher", erklärt er.

Der derzeitige Energiebedarf lasse sich voraussichtlich trotz Einsparung nicht reduzieren, daher müssten die stromerzeugenden Anlagen ausgebaut werden. "Nur 5,6 Prozent der möglichen Dachflächen sind derzeit mit Photovoltaikanlagen belegt, es bräuchte aber 56 Prozent", erklärt Drexlmeier. Im Landkreis beträgt der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtstromverbrauch gerade einmal 16 Prozent, Bayern belegt mit 26 Prozent (Stand 2015) unter den deutschen Bundesländern Platz sechs. Schade, findet Drexlmeier. "Denn es gibt genug erneuerbare Energien."

Im Internet bietet die Bürgerstiftung Energiewende Oberland unter www.solarkataster-toelz.de einen Überblick, welche Dächer im Landkreis für eine Photovoltaikanlage geeignet sind.

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SZ vom 29.06.2019
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