Süddeutsche Zeitung

Digitaler Polizeifunk:Geheime Verschlusssache

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Der digitale Polizeifunk kommt. Wo im Landkreis jedoch die Sendemasten stehen sollen, ist noch immer ein Geheimnis. Dabei sollten die Bürgermeister schon lange Bescheid wissen.

Frederik Obermaier

"VS-NfD" prangt in dicken Buchstaben auf den Briefen des bayerischen Innenministeriums an das Tölzer Landratsamt. Es geht um die Standorte der Sendemasten des digitalen Behördenfunks im Landkreis. Sie sind geheim - die Bürokraten nennen das "Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch". "Wir dürfen die Standorte nicht herausgeben", sagt Alexander Bauer, im Landratsamt zuständig für den sogenannten BOS-Funk. Dabei wissen die Bürgermeister des Kreises nach Angaben des Innenministeriums bereits, ob und wo in ihrer Kommune ein Funkmast aufgestellt werden soll. Sie dürfen die Bürger darüber auch informieren.

Die zuständige Projektgruppe "Diginet" des Innenministerium sieht darin bereits einen Fortschritt - "Bürgerbeteiligung" nennt ein Sprecher die Bürgerinformation. Immerhin. Ursprünglich habe das Bundesinnenministerium geplant, die Bürger gar nicht zu unterrichten. Dass ein bis zu 60 Meter hoher Mast vor ihrer Haustür oder auf dem nächstgelegenen Hügel errichtet werden soll, hätten sie erst bemerkt, wenn die Bagger rollen. Erst auf Betreiben von Bayern und Baden-Württemberg seien die Geheimhaltungsvorschriften des Bundes gelockert worden, erklärte der Sprecher.

Mittlerweile dürfen die Bürger wissen, wo in ihrer Gemeinde Antennen geplant sind. Wo jedoch in der Nachbargemeinde oder sonstwo im Landkreis ein Mast errichtet wird, bleibt "VS-NfD", also geheim. Das Innenministerium fürchtet Sabotage und Vandalismus. "Ich gehe davon aus, dass es nie eine komplette Liste aller Standorte im Landkreis herausgegeben wird", sagt Bauer. Wo die Behördenfunk-Antennen stehen, werde dennoch bald jeder wissen. "Man wird die Masten ja natürlich sehen."

Bis Mitte 2011 will das Innenministerium endgültig festlegen, wo die 16 geplanten Masten im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen stehen sollen. 15 Vorverträge seien bereits abgeschlossen - lediglich ein Standort am Sylvensteinspeicher fehlt nach Angaben des Ministeriums noch. Von 2013 an sollen Polizei, Bundespolizei, Feuerwehr, Rettungsdienst, THW, Katastrophenschutz und Zoll über das neue Digitalnetz funken können. Anders als beim Analog-Funk ist das Tetra (Terrestrial Trunked Radio)-System abhörsicher. Zudem können Polizei und Feuerwehr via Tetra - ähnlich wie bei einer SMS - Texte verschicken. Über GPS kann zudem der Standort einzelner Retter - etwa eines Bergwachtlers in unzugänglichem Gebiet - geortet werden.

"Das Digitalfunknetz wird seit Jahrzehnten gefordert", sagt die Geretsrieder Bürgermeisterin Cornelia Irmer (parteilos), "das muss man jetzt endlich mal auf den Punkt bringen." Wo genau der Mast in Geretsried stehen soll, weiß sie jedoch nicht. Wahrscheinlich auf dem Dach der Staatlichen Feuerwehrschule.

Irmers Informationen sind schon älter: Im Juli hatte der zuständige Innenstaatssekretär Gerhard Eck (CSU) die Landkreis-Bürgermeister in einer Dienstbesprechung über den geplanten Digitalfunk informiert. Die Bürger müssten an den Planungen beteiligt werden, sagte Eck damals und versprach ein Ende der Geheimniskrämerei.

Getan hat sich bis heute jedoch wenig: Eine Umfrage der Süddeutschen Zeitung ergab, dass die Bürgermeister nur über 13 Mastenstandorte Bescheid wissen. So sollen auf dem Brauneck und in Gaißach bestehende Funktürme mit Digitalsendern bestückt werden. Neue Masten sollen auf dem Fischberg, der Achala-Alm, dem Graskopf, der Roßsteinalm und dem Kotzen sowie an der B 307 zwischen Sylvensteindamm und Kaiserwacht, in Fall, zwischen Vorderriss und Hinterriss, in Geretsried, im Wolfratshauser Gewerbegebiet sowie nahe Dietramszell aufgestellt werden. Wo die übrigen drei Masten stehen sollen, wissen die Bürgermeister nicht. Im Ministerium heißt es dazu lapidar: Man sei "bemüht" die Kommunen zu informieren.

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Quelle:
SZ vom 16.12.2010
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