Süddeutsche Zeitung

Dietramszell:Wege aus der Krise

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Walter Schäl hilft Menschen in seelischen Nöten

Von Florian Zick, Dietramszell

Heute spielen Walter Schäl und seine Jazzband mehrmals im Jahr Benefizkonzerte für wohltätige Zwecke. Herbie Hancock, Ella Fitzgerald - es gab aber auch eine Phase, da hatte sein Leben nicht so viel Swing. Anfang der Neunzigerjahre war das. Schäl arbeitete damals als selbständiger IT-Berater. Im Job lief es nicht sonderlich gut. Er war hoch verschuldet und mit seiner Familie schlimm verkracht. Der heute 78-Jährige machte damals eine schwere Lebenskrise durch. Eine Krise, die ihn in gewisser Weise bis heute prägt.

Nachdem er 2003 in den vorgezogenen Ruhestand gegangen war, habe er richtig viel Zeit zum Nachdenken gehabt, erzählt Schäl. In seinem alten Beruf sei er nur hinter dem Geld her gewesen, "wie alle anderen eben auch", sagt er. Nun habe er nach einer "sinnvollen Aufgabe" gesucht. Da traf es sich gut, dass er damals eher zufällig zur OSPE kam, der Oberbayerischen Selbsthilfe Psychiatrie-Erfahrener, einem Zusammenschluss von verschiedenen Selbsthilfegruppen. "Ich wurde da mal mitgeschleppt", spielt Schäl seine Rolle herunter. Dabei ist er seit 2013 sogar Vorsitzender des Vereins.

In dieser Funktion kämpft Schäl für einen besseren Umgang mit Menschen in seelischen Nöten. "Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, uns in die psychiatrische Versorgung einzumischen", sagt er. In den Neunzigerjahren habe er sich selbst Hilfe gesucht und so aus der Krise befreit. Heute dagegen gebe es eine Vielzahl an Hilfsangeboten, für die man eine entsprechende Beratung anbieten müsse. Und wenn er dann anfängt, über das Sozialgesetzbuch Neun und das Bundesteilhabegesetz zu referieren, versteht man sofort, was er meint.

Im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales hat die OSPE seit 2014 in Oberbayern sieben Beratungsstellen für Menschen mit psychischen Problemen oder anderen Behinderungen aufgebaut. Die Verwaltung dieser Stellen erledigt Schäl bei sich zu Hause in Dietramszell - und das ehrenamtlich. Der Verein Miteinander Füreinander hat ihn deshalb für die Isar-Loisach-Medaille vorgeschlagen.

In den Beratungsstellen werden im Schnitt inzwischen pro Tag und Standort 0,8 Beratungen durchgeführt. Das klingt erst einmal nach nicht besonders viel. Aber ein Fall ziehe unzählige Nachfolgetermine nach sich, erklärt Schäl. "Mit einer Viertelstunde ist es da nicht getan", sagt er. Aber so wie es derzeit laufe: "Das schaut gut aus".

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Quelle:
SZ vom 11.12.2019
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