Süddeutsche Zeitung

Bakterien in der Wurst:Polizei beschlagnahmt 50 Aktenordner bei Großmetzgerei Sieber

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Von David Costanzo, Geretsried

Es hätte der Tag des Neubeginns der Großmetzgerei Sieber werden sollen. Vier Wochen nach Beginn des Listerien-Skandals wollten sich Insolvenzverwalter, Landratsamt und Gesundheitsbehörden in Geretsried zu ersten, gemeinsamen Beratungen über ein neues Hygiene-Konzept treffen. Doch die Ermittler sind ihnen zuvorgekommen - mit einer Razzia im Unternehmen und beim früheren Geschäftsführer.

Sie rückten am Morgen gegen sieben Uhr an: 20 Beamte der Kripo und ein Staatsanwalt nahmen sich fünf Adressen vor. Neben der Wurstfabrik in Geretsried und dem Privathaus des früheren Geschäftsführers Dietmar Schach im Landkreis Starnberg durchsuchten sie auch zwei Labors im Großraum München und eines in Baden-Württemberg. Denn die Ermittler fahndeten laut Staatsanwaltschaft vor allem nach den Ergebnissen und Laborwerten früherer Wurstproben, die das Unternehmen in Eigenregie nimmt. Sie beschlagnahmten etwa 50 Aktenordner und kopierten die Daten mehrerer Computer. "Wir haben ein paar Sachen abgeholt", fasst Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich zusammen. Nach knapp drei Stunden war die Aktion beendet.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits seit zwei Wochen wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Lebensmittel- und Futtermittelgesetz. Daran hat sich laut Heidenreich bislang nichts geändert. Das Verfahren richte sich konkret gegen einen Verantwortlichen der Firma Sieber.

Auf die Frage, warum die Ermittler erst jetzt zur Durchsuchung kommen, sagte Heidenreich: "Nachdem der Vorgang in der Presse berichtet wurde, war nicht mehr die größte Eile geboten." Eine Durchsuchung mehrerer Objekte brauche Vorbereitungszeit. Ob es einen Anlass dafür gab, wollte er nicht sagen. Sieber-Sprecher Erich Jeske sagte, man habe eine Durchsuchung erwartet.

Womöglich spielen neue Untersuchungsergebnisse über Sieber-Produkte bei der Razzia eine Rolle. Die Gesundheitsbehörden haben auf drei weiteren Wammerl-Proben von Anfang April und nun auch auf einem vegetarischen Aufschnitt von Ende Mai genau jenen Bakterienstamm identifiziert, den sie für den Listeriose-Ausbruch mit 80 Erkrankten und acht Toten in Süddeutschland verantwortlich machen. Das erklärt das zuständige Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen. Die Behörde sieht sich in der Annahme bestätigt, dass die Listerien aus der gleichen Quelle stammen und dass sie sich nicht auf ein Produkt beschränken.

Sieber-Inhaber Schach hatte vor einer Woche Insolvenz angemeldet, nachdem die Gesundheitsbehörden ein Produktions- und Vertriebsverbot über die Firma verhängt sowie einen deutschlandweiten Rückruf der gesamten Ware veranlasst hatten. In Wurst waren gesundheitsgefährdende Listerien gefunden werden. Insolvenzverwalter Josef Hingerl hatte angekündigt, das Unternehmen retten und möglichst bald wieder in die Produktion einsteigen zu wollen.

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