Süddeutsche Zeitung

Badehaus:Überwältigende Eindrücke

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Der Verein Bürger fürs Badehaus Waldram-Föhrenwald zeigt erstmals Ausschnitte der Zeitzeugen-Gespräche. Sie sind das Herzstück der künftigen Ausstellung

Von Felicitas Amler, Wolfratshausen

Vor 72 Jahren ist Shoshana Bellen an diesem Ort geboren worden, vor zwei Jahren hat sie erfahren, dass es ein weithin ausstrahlender, aber auch für sie persönlich wichtiger Platz werden kann: Föhrenwald, einst eine Siedlung für Arbeiter der NS-Rüstungswerke im Wolfratshauser Forst, dann eine Heimstatt für jüdische Überlebende des Holocausts (Displaced Persons), schließlich umgewandelt in den Stadtteil Waldram, wo deutsche Heimatvertriebene ein neues Zuhause fanden. Dort stand durch alle drei Phasen der Geschichte das Badehaus, in dem nun ein Verein einen Dokumentations- und Erinnerungsort schafft.

Die Jüdin Shoshana Bellen, die heute mit ihrer Familie in Israel lebt, ist tief berührt von diesem Engagement. Dass es Ehrenamtliche gibt - deutsche zumal, wie sie betont -, die das leisten, habe sie überwältigt. Und erst jetzt, da sie selbst sich für die Dokumentation des Vereins Bürger fürs Badehaus Waldram-Föhrenwald noch einmal ganz intensiv mit der Geschichte ihrer Familie befasst hat, da sei ihr bewusst geworden, wie tapfer ihre Eltern waren, Helden, so sagt sie. Und das Badehaus sei der richtige Platz, um sie zu ehren.

Es sind bewegende Szenen, die am Dienstagabend über die Leinwand im kleinen Saal des Badehauses flimmern. Der Verein zeigt in seiner Mitgliederversammlung erstmals öffentlich Ausschnitte aus Zeitzeugengespräche, wie sie von Herbst an hier zu sehen sein werden. Am 20./21. Oktober wird das Haus feierlich eröffnet. Der Verein um die Vorsitzenden Sybille Krafft und Wolfgang Saal hat in den vergangenen sechs Jahren unentwegt daran gearbeitet, es zu einem lebendigen und qualifizierten Lernort um- und auszugestalten.

Der Jahresbericht listet auch diesmal eine solche Fülle an Zahlen auf, dass es schwer wäre, sie alle darzulegen: Der Mitgliederanstieg auf 362 (und noch während der Versammlung kommen zwei weitere dazu), die ehrenamtlichen Arbeitsstunden der Dokumentations- und der Baugruppe, die längst in die Tausende gehen, das Aufbringen von Spenden und Zuschüssen für ein Projekt, das mit 1,8 Millionen Euro angesetzt ist.

Der Verein ist bestens vernetzt, kooperiert etwa mit der Kulturbühne "Hinterhalt" und dem Kulturverein KIL, wird von Penzberg und Geretsried ebenso unterstützt wie von der Stadt Wolfratshausen und bekommt schon mal - dank Vermittlung der Werbekreis-Vorsitzenden Ingrid Schnaller - von einem XXXL-Möbelhaus eine Küchenausstattung geschenkt.

Sponsoren und Förderer sind fürs Badehaus unerlässlich, egal ob sie Geld geben (fast 28 000 Euro Spenden im vergangenen Jahr) oder, wie Familie Henschelchen in Waldram, einfach immer ein offenes Haus haben für Vereinsmitglieder und Zeitzeugen, die zu Besuch kommen. Robbi Waks aus Tel Aviv hat dafür den Begriff "Café Henschelchen" geprägt, und das unterstreicht, wie familiär es bei aller Professionalität des Vereins oft zugeht.

Kontaktpflege und intensive Recherchen, von den Stadtarchiven Wolfratshausen und Geretsried bis nach Washington und Yad Vashem, sind die Hauptarbeit der Dokugruppe, die inzwischen mehr als 100 Exponate für die künftige Ausstellung beisammen hat, darunter das Poesiealbum der Schriftstellerin Lea Fleischmann, Transportkisten deutscher Heimatvertriebener oder Care-Pakete; dazu etwa 20 thematische Kurzfilme und 30 Zeitzeugen-Interviews. "Das sind 27 Stunden Material", sagt Krafft, "ein dokumentarischer Schatz für die Zukunft." Dass diese Arbeit auch die Neugier und das Engagement junger Menschen weckt, freut die Vorsitzende besonders. So hat etwa der 18-jährige Abiturient Sebastian d'Huc Krafft begleitet, als sie in diesem Jahr eine einwöchige Recherchereise nach Israel unternahm: "Wahnsinnig beeindruckend", sagt der junge Mann. Er habe gespürt, wie wichtig es den jüdischen Gastgebern war zu sehen, dass es hier in Deutschland eine Initiative wie den Badehaus-Verein gibt. Aufnahmen vom Chanukka-Fest, dem Krafft und d'Huc beiwohnten, geben einen Eindruck von den Emotionen auf beiden Seiten, vom gemeinsamen Weinen und Lachen.

Robbi Waks hat an diesem Abend im Badehaus das Schlusswort. Er würdigt die Bemühungen um die Erforschung und Dokumentation Föhrenwalds, wo er selbst neun Jahre lang gelebt hat. Dieser Ort sei ein Teil der deutschen Geschichte, sagt er, "nicht nur der jüdischen Geschichte".

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Quelle:
SZ vom 21.06.2018
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