Süddeutsche Zeitung

Bad Tölz-Wolfratshausen:Kliniken stellen sich auf Demenzkranke ein

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Patienten werden immer älter und verwirrter. Die Krankenhäuser im Landkreis müssen sich darauf einstellen.

Wolfgang Schäl

Weil das Lebensalter dank medizinischer Fortschritte steigt, wächst die Zahl der Menschen mit Demenz. Denn der wichtigste Risikofaktor ist die Zahl der Jahre, die ein Gehirn in Betrieb ist. Mit 90 Jahren ist jeder Zweite vom geistigen Verfall betroffen. Die damit verbundenen Betreuungsprobleme betreffen zunehmend auch Kliniken, die verwirrte Patienten wegen akuter Erkrankungen oder Verletzungen aufnehmen. Wenn ein Heimbewohner eingewiesen wird, leide er sehr unter dem Ortswechsel und an der hektischeren Atmosphäre, sagt Dieter Käufer, Leiter des Wolfratshauser Heims der Arbeiterwohlfahrt (AWO), das ausschließlich Menschen mit Demenz betreut. Doch das Thema sei "im Kreiskrankenhaus angekommen". So referiert Stefan Schmidbauer, Ärztlicher Direktor der Kreisklinik, kommendes Jahr im AWO-Heim über das Thema "Demenz im Akutkrankenhaus". Um verwirrten Patienten besser gerecht zu werden, hat sich am Kreiskrankenhaus im Sommer bereits ein Runder Tisch mit Heimleitern, Ärzten und Vertretern von Sozialdiensten konstituiert. Unter anderem wird jetzt das Personal auf die speziellen Bedürfnisse von Demenzpatienten hin geschult, ein Mitarbeiter erhält eine Ausbildung zur gerontopsychiatrischen Fachkraft. Ergänzend dazu wird es auf jeder Station einen "Mentor" geben, der die demenzspezifischen Probleme des Patienten bei den Ärzten und Pflegern anspricht. Die notwendigen Gelder kommen unter anderem von den Freunden des Kreiskrankenhauses, die das Vorhaben mit einem fünfstelligen Betrag unterstützen, bis Anfang Januar soll die Maßnahme starten. Die Ärzte selbst bilden sich nach Schmidbauers Worten im Bereich "Alterstraumatologie", fort. Unter anderem geht es dabei um "hüftnahe Knochenbrüche", insbesondere um die gefürchteten Oberschenkelhalsfrakturen. Man habe die Notwendigkeit zu handeln erkannt, versichert Schmidbauer, das Kreiskrankenhaus sei auch Mitglied in der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft geworden. Eine eigene Demenzstation wird es Schmidbauer zufolge allerdings nicht geben. Wegen der fehlenden Gelder habe man sich für diese dezentrale Form der Betreuung entschieden. Ein wichtiges Thema ist die Demenz auch in der Tölzer Asklepios-Stadtklinik, die jedoch anders strukturiert ist. Spezialist ist dort Oberarzt Frank Dorfmeister, der auf die etablierte Schlaganfalleinheit der Klinik verweist. Asklepios verfüge über ein "multimodales interdisziplinäres Diagnostik- und Therapiekonzept". Unabhängig vom Grund der Einweisung werde im Verdachtsfalle immer auch die "Nebendiagnose Demenz" gesichert. Die nötigen Fachkräfte dafür seien in der Klinik schnell verfügbar, "die müssen nur über den Gang gehen". Dorfmeister zufolge steht den Ärzten und den Therapeuten aus dem Bereich der Ergotherapie, der Physiotherapie sowie der Sprach- und Schlucktherapie "ein umfangreiches Screening-Konzept zur Verfügung", um die nötigen diagnostischen Schritte einzuleiten. Falls sich der Demenzverdacht bestätige, werde der Patient "sowohl neurologisch als auch psychiatrisch gesehen". Dorfmeister weist in diesem Zusammenhang auch auf die der Asklepios-Klinik angegliederte geriatrische Reha-Abteilung hin. Eine besondere Rolle spielten bei der Demenz-Diagnose die Würdigung von Patientenverfügungen und das Gespräch mit den Angehörigen. "Auf dieser Schiene" kläre man dann gegebenenfalls auch rechtliche Aspekte, so etwa die Frage, ob ein Betreuungsgericht eingeschaltet werden muss.

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Quelle:
SZ vom 29.11.2011
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