Süddeutsche Zeitung

Stadtmarketing:Der Markenkern von Bad Tölz

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Ein Beratungsbüro stellt im Stadtrat seine Analyse vor, was die Kurstadt in der Wahrnehmung von Gästen, Zuwanderern und Einheimischen ausmachen soll

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Auf der Suche nach einer neuen Marke hat Bad Tölz den ersten Schritt getan. Die Firma Brand Trust präsentierte in der jüngsten Stadtratssitzung die Ergebnisse ihrer Analyse, wofür die Kurstadt nach dem Ende der Sozialkur und des Erlebnisbads Alpamare stehen kann - für Gäste, für Unternehmer, für Einheimische. "Wir wollen damit einen roten Faden entwickeln, damit in Zukunft die Leistungen, die Entscheidungen und die Maßnahmen in Tölz an diesem Faden ausgerichtet werden", sagt Colin Fernando, Marken-Experte bei Brand Trust.

Die Beratungsfirma aus Nürnberg studierte 699 Megabyte Datenmaterial, führte 14 Interviews mit Tölzerinnen und Tölzern, startete eine Bürgerbefragung mit 709 Teilnehmern, veranstaltete einen Workshop. Das Resultat in einem Satz: "Bad Tölz gelingt die authentische Verbindung zwischen Zukunftsgewandtheit und Heimatgefühl." In diesem Spannungsfeld stecke "richtig Zug drin", sagte Fernando.

Die Welt werde gefühlt immer kleiner, was dazu führe, dass sich viele Orte einander angleichen. Die Frage werde künftig nicht mehr lauten, ob man irgendwo hinfahren könne, sondern "ob es sich lohnt, dorthin zu fahren", sagte der Marken-Experte. Angesichts von 7000 bis 10 000 Markenbotschaften pro Tag gelte es, die eigene Relevanz deutlich zu machen. "Es genügt nicht zu sagen, ich bin vielfältig", so Fernando. Es gehe auch nicht um Nachahmung. Als Beispiel zeigte er Werbebilder von Skigebieten, die allesamt Pisten, Berge und fröhliche Skifahrer zeigen. Das sei oft austauschbar, sagte er. Dagegen schaffte es Alta Badia in den italienischen Dolomiten, seine Skipisten als Frau im Kleid darzustellen. "Nur ein klarer Fokus schafft eine bewusste Wahrnehmung."

Die will Bad Tölz mit einer neuen Marke nicht bloß bei Touristen schärfen, sondern auch bei Zuzüglern und Unternehmern, nicht zuletzt in der eigenen Bevölkerung. Sieben Werte destillierte Fernando aus den gesammelten Daten, Interviews und Workshops heraus, die sich mit Tölz verquicken: naturverbunden (tägliches Leben zwischen Isar und Alpen), bewegend (viele Freizeitmöglichkeiten), geerdet (bodenständige Bevölkerung), vitalisierend (viele Angebote für mehr Lebensenergie), gestaltungsfreudig (die Tölzer packen an, um ihre Stadt in die Zukunft zu führen), heimatverbunden (junge Leute kehren später oft zurück nach Tölz) und kulturschaffend. Fernando betonte, dass die Kurstadt eine ganz spezielle Kultur biete - vom Marionettentheater über den Knabenchor bis zur Komischen Gesellschaft. All dies bilde den Markenkern von Bad Tölz.

Daraus ergibt sich für den Experten eine weitere Schicht: Attraktivität und Differenzierung. Als die "vier Talente von Tölz" apostrophierte Fernando die Architektur, vor allem in der Marktstraße, die Isar samt Freizeitangeboten, Sportmöglichkeiten und Gestaltern wie einstmals Gabriel von Seidl. Brauchtum und Tradition, Natur, Sport, Zusammenhalt, Kultur, Lebensenergie, lebendiges Stadtgefühl, gesellige Lebendigkeit - all dies gehöre zur DNA der Stadt. Daraus ergäben sich als Entwicklungspotenzial die Themenfelder "Verbindung von Gestaltungswillen mit Tradition und Brauchtum", "Geselligkeit und Lebendigkeit", "Gemeinschaft und Heimat" sowie "Energie erzeugen".

Dies soll nun durch einen kleinen Steuerungskreis der Stadtverwaltung, vor allem aber mit Multiplikatoren und Leitbetrieben im Stadtbild sichtbar werden. Die Aufgabe sei, damit "nach außen zu gehen" und dies "in der Stadtgesellschaft zu implementieren", sagte Citymanagerin Sandra Herrmann. Bei dem Markenprozess habe man gerade erst "den Keller ausgehoben". Für Bürgermeister Ingo Mehner (CSU) bildet die Analyse ein "sehr gutes Fundament, auf dem wir aufsetzen können". Fernando sagte: "Wir haben viele Zutaten auf ein Brett gelegt, nun muss man daraus ein Gericht machen."

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SZ vom 01.10.2021
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