Süddeutsche Zeitung

Bad Heilbrunn:Wirbelwind wütet in Bio-Gärtnerei

Lesezeit: 3 min

Ein sogenannter Staubteufel zerstört die Scheiben eines Gewächshauses, verletzt eine Mitarbeiterin und richtet Schäden im fünfstelligen Bereich an.

Von Konstantin Kaip, Bad Heilbrunn

Den Montag werden Michael Holzmann und Thomas Braun so schnell nicht vergessen. Für die beiden Bio-Gärtner der Hofgemeinschaft Letten war der 4. April 2016 ein wunderbarer Frühlingstag mitten in der Saison, der in einer Katastrophe endete: In nur wenigen Sekunden hat am Montagnachmittag ein so genannter Staubteufel, ein durch aufgeheizten Sandboden verursachter Tornado-ähnlicher Kleinwirbel, die Scheiben ihres Gewächshauses zerstört und auf ihrer Anlage großen Schaden angerichtet. "Bei schönstem Wetter", erzählt Holzmann. "Wir haben überhaupt nicht damit gerechnet."

Er war gerade mit Braun und anderen Mitarbeitern auf einem Feld vor den Gewächshäusern, als sie beobachteten, wie sich von der Straße aus eine Windhose aufgebaut hat. "Wir haben fast noch gelacht darüber", erinnert sich Holzmann an die seltsame Säule aus aufgewirbeltem Staub.

Dann aber wurde es sehr schnell ernst: Der Wirbel wanderte 15, 20 Meter, wurde immer größer und zog dann "praktisch durch die Einfahrt" auf das Gelände, berichtet der Gärtner. Dort riss die Kleintrombe die Folie von Gewächshaus drei und warf sie auf das Glashaus mit der Nummer eins, wo zahlreiche Scheiben zu Bruch gingen. Mit einem Knall, der so laut war, dass jemand von Gut Bocksberg aus die Feuerwehr wegen einer vermeintlichen Explosion alarmierte, wie Holzmann erzählt.

Als der Wirbel im Glashaus wütete, seien dort fünf, sechs Mitarbeiter zugange gewesen. "Zum Glück konnten sich alle retten." Eine neue Mitarbeiterin aber habe von dem herabfallenden Glas einen Schnitt am Ohr abbekommen und musste ins Krankenhaus - "am ersten Arbeitstag bei uns im Betrieb".

Erst im September hatten sie das Gewächshaus gekauft

Am Dienstagvormittag steht Holzmann in kurzen Hosen vor dem mit rot-weißen Bändern abgesperrten Gewächshaus und schüttelt immer wieder den Kopf samt Lederhut. Erst im September, erzählt er, haben er und Braun, die beide schon seit Jahrzehnten eigene Gärtnereien auf dem Hof in Letten betreiben, das gläserne Gewächshaus gekauft, um dort gemeinsam Jungpflanzen ihres Gemüses und Bio-Zierpflanzen zu züchten.

Am 18. April wollten sie erstmals einen gemeinsamen Verkauf ab Hof starten. Ob das noch klappt, wissen sie derzeit nicht. Im kaputten Gewächshaus wachsen junge Tomaten, verschiedene Kräuter und ein breites Sortiment an Bio-Zierpflanzen - "temperaturempfindliche Kulturen", wie Holzmann sagt.

Und nachts soll das Thermometer in den kommenden Tagen schon mal bis auf zwei Grad sinken. "Das Problem ist, dass das mitten in der Saison passiert ist", sagt der Gärtner. Schon im Mai, erklärt er, wäre der Schaden deutlich leichter zu verkraften gewesen.

Um viertel nach elf kommen zwei Sachverständige von der berufsständischen Gartenbau-Versicherung auf den Hof, um den Schaden zu begutachten. Sie haben vorsorglich rote Bauhelme mitgebracht, die sie allerdings vor dem Glashaus niederlegen. Zusammen mit Holzmann und Braun schreiten sie die Gewächshäuser ab, machen Fotos mit einer Digitalkamera und notieren die Schäden.

Die Gärtner erzählen, dass sie so viel wie möglich retten wollen und die Pflanzen vorübergehend in anderen Gewächshäusern unterbringen könnten. Aber auch, dass sie im Glashaus bald wieder arbeiten müssten, etwa an der Topfmaschine. Sachbearbeiter Peter Fischer vom Direktionsaußendienst der Versicherung rät ihnen, die Flächen mit gravierenden Schäden in jedem Fall auszusparen, "wegen der Spannungen".

"Ich dachte, so etwas passiert nur in Amerika"

Dann steigt er auf eine Leiter und begutachtet die zehn Segmente des Glashausdaches. Weil das zum Teil von unten mit Folie bedeckt ist, entpuppt sich der Schaden als deutlich größer als die Betriebsleiter vermutet hatten. Fischer rät den Gärtnern, so schnell wie möglich Angebote einzuholen und nennt ihnen diverse Firmen, die Gewächshäuser reparieren. "Die Holländer kommen immer mit einem ganzen Trupp", sagt er, "dann geht es schneller."

Wie heftig der kleine Wirbelsturm am Montag tatsächlich gewütet hat, wird den Gärtnern erst klar, als sie dann das weitere Gelände abschreiten. Immer wieder finden sie Scherben, die der Staubteufel auf seinem kurzen Verwüstungstrip mitgerissen hat. Sogar in einem rund 50 Meter entfernten, mit Folie bedeckten Gewächshaus, das Holzmann alleine für sein bio-zertifiziertes Gemüse betreibt.

Zahlreiche der Salatköpfe, die dort in sorgfältig angelegten Reihen wachsen, sind von kleinen Glassplittern bedeckt. Fischer fragt vorsichtig nach, ob die Gärtner ihre geschädigten Kulturen denn ersetzen könnten. "Das können wir nicht", verneinen Braun und Holzmann sofort. "Weil wir bio san."

Nach dem ersten Eindruck sind sich Fischer und sein Kollege ziemlich sicher, dass der Schaden "im fünfstelligen Bereich" liegt. Wie hoch er schließlich ausfalle, könne man aber erst beziffern, wenn der Arbeitsaufwand und die in Mitleidenschaft gezogenen Pflanzen vollständig erfasst seien. Holzmann schüttelt erneut den Kopf über das, was der Staubteufel angerichtet hat. "Ich dachte, so etwas passiert nur in Amerika", sagt er. "Irgendwo in der Prärie, wo sich das länger aufbaut."

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SZ vom 06.04.2016
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