Süddeutsche Zeitung

Asylpolitik:Integration als Ausgrenzung

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Entscheidungen oben offenbaren ihre Problematik oft erst vor Ort

Von Felicitas Amler

Es ist immer wieder zu beobachten, dass sich unten, bei den Kommunen, jene Probleme offenbaren, die oben, in Berlin, produziert wurden. So nun auch bei den Sprachkursen für Flüchtlinge. Der Bundestag hat im Oktober ein Asylpaket verabschiedet, das zum Trost für die vielen Verschärfungen (von schnellerer Abschiebung bis zu schlechteren Sozialleistungen) ein paar Pflaster enthielt. Stichwort: "Integration". Die soll nun durch Sprachkurse erleichtert werden. Gut so - könnte man meinen.

Tatsächlich aber ist dies, etwa im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, Augenwischerei. Denn so wie die Politik am Asylrecht schon manche Abstriche vorgenommen hat, so hat sie nun auch die Deutschkurse unter einen selbst konstruierten Vorbehalt gestellt: Sie gelten nur für Flüchtlinge "mit guter Bleibeperspektive". Und eine solche haben nach behördlicher Einschätzung im Landkreis lediglich vier Nationalitäten: Syrer, Iraker, Iraner und Eritreer; nach aktuellem Stand 413 Menschen. Auch das hört sich noch nicht ganz so schlecht an: 413 Menschen, die schneller besser Deutsch lernen. Wenn man aber weiß, dass damit 710 der augenblicklich zwischen Icking und Lenggries lebenden Flüchtlinge ausgeschlossen werden, erkennt man die Ungerechtigkeit, ja, sogar bewusste Ausgrenzung. Afghanen (derzeit mit 293 Personen die größte Gruppe überhaupt), Flüchtlinge aus Armenien oder Botswana oder dem Kongo oder Nigeria oder . . . sind außen vor. Sie bleiben auf die Hilfe jener Menschen angewiesen, denen das Land vor allem verdankt, dass man es noch mit Humanität, Solidarität und Nächstenliebe in Verbindung bringt: der ehrenamtlichen, freiwilligen Flüchtlingshelfer. Sie werden weiterhin Deutschkurse geben, ohne nach Herkunftsländern zu fragen und seltsame Worte wie "Bleibeperspektive" zu schöpfen. Hier unten, an der Basis, sind die Leute, die Tag für Tag beweisen: Wir schaffen das.

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Quelle:
SZ vom 06.11.2015
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