Süddeutsche Zeitung

Wohnungsmarkt:Vermieter mit Herz gesucht

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Von Anna Hoben

Zum Beispiel Nadja Lindinger. Als der Pachtvertrag für ihr ehemaliges Hotel in Obermenzing auslief, entschloss sie sich, das Haus an den Sozialdienst katholischer Frauen zu vermieten. Im Mai 2017 wurde dort ein Beherbergungsbetrieb für wohnungslose Schwangere und junge Mütter eröffnet.

Sie habe sich eine Einrichtung gewünscht, mit der sie sich identifizieren könne, sagt die Vermieterin, das Projekt sei genau das Richtige gewesen. "Wenn ich die Frauen treffe, die so dankbar sind, eine sichere und wohlige Umgebung für sich und ihr Kind gefunden zu haben, ist dies mit nichts zu bezahlen", so Lindinger.

In München sind derzeit 9000 Menschen ohne Wohnung, darunter 1700 Kinder. Die städtischen Notquartiere und Übergangseinrichtungen sind voll; die Menschen, die dort untergekommen sind, müssen im Durchschnitt viel länger dort leben als gedacht.

"Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht ein bis zwei Dutzend Schreiben bekomme, in denen es um dieses Thema geht", berichtet Rudolf Stummvoll, Chef des Wohnungsamtes.

Er geht davon aus, in diesem Jahr 2800 öffentlich geförderte Wohnungen vergeben zu können; dieser Zahl stehen 17 500 Anträge gegenüber, viele davon mit höchster Dringlichkeit. Stummvoll ist deshalb "unendlich dankbar" für eine neue Kampagne des Netzwerkes Wohnungslosenhilfe, in dem sich vor anderthalb Jahren verschiedene soziale Träger zusammengeschlossen haben.

"München: Wohnstadt mit Herz", so heißt die Initiative, mit der die Träger an Vermieter appellieren wollen, ihre Wohnungen an jene Menschen zu vergeben, die es auf dem freien Markt besonders schwer haben: Geringverdiener, Alleinerziehende, Menschen mit Migrationshintergrund, Rentner, kinderreiche Familien und Menschen, die mit gesundheitlichen Problemen kämpfen oder in einer persönlichen Krise stecken.

"Die Kampagne will das Gefühl für soziale Verantwortung wachrütteln", sagt Petra Reiter, Schirmherrin des Netzwerks Wohnungslosenhilfe und Ehefrau von Oberbürgermeister Dieter Reiter. Das Problem rücke immer mehr in die gesellschaftliche Mitte, sagt Elke Prumbach vom Sozialdienst katholischer Frauen. Auch für Normalverdiener werde es schwerer, in München eine bezahlbare Wohnung zu finden.

Erreicht werden sollen soziale Vermieter per Postkarte - 50 000 hat das Netzwerk drucken lassen -, per direktem Anschreiben via E-Mail und über eine Anzeige auf der Plattform Immobilienscout24. In Planung ist auch ein Fachtag zum Thema. Der Titel der Kampagne mag angesichts des extremen Wohnraummangels, hoher Mieten und einer steigenden Zahl von Wohnungslosen zynisch klingen; er ist bewusst provokativ gewählt.

Eine Idee, wie viele Vermieter sich von dem Appell überzeugen lassen, habe man nicht, sagt Prumbach, "wir freuen uns auch, wenn wir zwei oder drei Angebote bekommen". Die Beweggründe sozialer Vermieter seien dabei vielfältig. Sie schätzten das Jobcenter als sicheren Zahler, wollten Menschen dabei unterstützen, aus einer Notlage herauszukommen, oder es einfach besser machen als jene Vermieter, bei denen sie früher als Mieter selbst oft den Kürzeren gezogen haben.

Auch von den Genossenschaften wünscht sich das Netzwerk noch mehr Engagement. Ein Vorreiter ist Wagnis, die Genossenschaft errichtet in ihrem Projekt im Prinz-Eugen-Park auch zwei Wohngruppen für je drei Frauen, die auf ihrem Weg zurück in den regulären Mietmarkt durch den Sozialdienst katholischer Frauen betreut werden.

OB Reiter weist darauf hin, dass es in München durchaus Vermieter gebe, die nicht den letzten Euro aus ihrer Immobilie rausholen. "Aber wir könnten noch mehr brauchen, die da nicht nur auf die Rendite schauen." Vermieter können über www.wohnstadt-mit-herz.de Kontakt mit dem Netzwerk aufnehmen.

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Quelle:
SZ vom 21.02.2018
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