Süddeutsche Zeitung

Wohnungsmarkt:"Man fragt sich, wo das enden soll"

Lesezeit: 3 min

Von Anna Hoben

Der Blick, mit dem Stephan Kippes auf sein Forschungsobjekt schaut, hat etwas von dem streng-gütigen Blick, mit dem Eltern ihr kleines Kind betrachten, gemischt mit einer Faszination für das Kuriose: Was hat es denn nun schon wieder angestellt? Kann es sein, dass da etwas aus dem Ruder läuft?

Kippes' Forschungsobjekt ist der Immobilienmarkt, und jedes halbe Jahr erklärt der Chef des IVD-Institutes Journalisten, was der nun schon wieder angestellt hat. Das Institut ist die Marktforschungseinrichtung des Maklerverbandes IVD, und am Mittwoch war es wieder einmal Zeit, auf die aktuellen Zahlen zu schauen, die darüber Auskunft geben, wie sehr das Münchner Phänomen auf das Umland abgefärbt hat. Die Frage ist ja schon lange nicht mehr: Sind die Preise gestiegen? Sondern: In welche astronomischen Höhen sind die Preise gestiegen?

Allein in der Stadt München wird die Einwohnerzahl von derzeit rund 1,5 Millionen in den nächsten 15 Jahren um 200 000 Menschen wachsen. Im Umland kommen weitere 150 000 hinzu, heißt es in dem Bericht. Und so ist kein Ende der Preissteigerungen absehbar. Der teuerste Ort für Immobilienkäufer bleibt die Stadt Starnberg. Ein freistehendes Einfamilienhaus kostet dort im Durchschnitt mehr als anderthalb Millionen Euro. Das ist fast ein Fünftel mehr als in der Landeshauptstadt. Auch bei den Doppelhaushälften (900 000 Euro) und Eigentumswohnungen aus dem Bestand (4500 Euro pro Quadratmeter) ist Starnberg an der Spitze der Liste.

Bei den Mietpreisen wird München von der Stadt am See ebenfalls noch übertrumpft: In der Kleinstadt werden durchschnittlich für Bestandswohnungen 15,50 Euro pro Quadratmeter bezahlt, in der Großstadt 14,90 Euro. Generell sind Eigentumswohnungen im Umland nur etwa halb so teuer wie in München. Die Mieten entsprechen indes etwa 80 Prozent des Münchner Niveaus. Manche Vermieter müssen offenbar sogar von Maklern regelrecht gebremst werden. "Die haben ihre Vorstellungen und sagen, in München wird das doch auch bezahlt", berichtet Maklerin Ulrike Hein aus Fürstenfeldbruck.

Aber Fürstenfeldbruck ist eben doch noch nicht München, wenngleich das Umland immer näher heranrückt. Am stärksten gestiegen sind die Kaufpreise für frei stehende Einfamilienhäuser im Frühjahr in Dachau: Ganze 6,6 Prozent mehr bezahlten Käufer im Vergleich zum Herbst 2015. In München gingen die Preise im selben Zeitraum um 5,7 Prozent nach oben. Auch bei den Doppelhaushälften sticht Dachau hervor, mit einem Anstieg von 8,9 Prozent. Mit Abstand folgen die Kreisstädte Erding und Starnberg, jeweils mit 4,7 Prozent. Schließlich liegt Dachau auch bei Eigentumswohnungen vorne (6,1 Prozent) und holt somit ein eher zweifelhaftes Triple. Die Nachverdichtung in der Stadt führe mitunter so weit, dass Doppelhaushälften nur noch eine Terrasse hätten und keinen Garten mehr, erzählt die Maklerin Christine Goßner aus Dachau.

Eine Blase droht nicht - denn die Nachfrage wird bleiben

"Man fragt sich, wo das enden soll", sagt Stephan Kippes irgendwann während seiner Präsentation. Die Antwort kennt natürlich keiner, aber alle ahnen: So schnell jedenfalls wohl nicht. Dass eine Immobilienblase droht, kann der Wohnraumexperte Kippes sich nicht vorstellen. "Es fällt schwer, denen zu glauben, die sagen, dass plötzlich die Nachfrage wegfallen wird." Blasen entstünden durch gigantische Anstiege, noch viel drastischer als in München, oder durch Überproduktion, also dadurch, dass viel zu viel gebaut wird. "Und das ist ja genau nicht unser Thema hier." Es werde vielleicht, räumt er ein, irgendwann Überhitzungserscheinungen geben. "Es könnte also sein, dass die Preise mal nicht weiter steigen, was ja schon eine Sensation wäre."

Bei den Mietwohnungen waren die Anstiege zuletzt nicht ganz so stark ausgeprägt wie beim Eigentum. "Mietpreise steigen deutlich schwächer als Kaufpreise", sagt Kippes und fügt lakonisch hinzu, dass das "für denjenigen, der eine Mietwohnung sucht, nur sehr bedingt etwas Positives bedeutet". Am stärksten sind die Mieten in Erding (um 4,7 Prozent) und Freising (um 4,5 Prozent) gestiegen.

Wenn man die Entwicklung der Kaufpreise und Mieten über einen längeren Zeitraum betrachtet, nämlich seit 2010, liegen die Steigerungen überall im hohen zweistelligen Bereich. Die höchsten Zunahmen gibt es bei frei stehenden Einfamilienhäusern in Starnberg (plus 83 Prozent), gefolgt von Erding (55 Prozent) und Freising (53 Prozent). In München liegt der Anstieg über sechs Jahre bei 68 Prozent.

Luxuskäufer gehen in eine andere Richtung

Nach wie vor gilt: "Je weiter man mit der S-Bahn rausfährt", so Kippes, "desto günstiger wird's". Er lacht. "Also, desto weniger unbezahlbar." Empfehlenswert seien Orte, die verkehrstechnisch gut gelegen sind, aber nicht auf dem S-Bahn-Plan auftauchen, etwa Emmering. Allen, die günstigen Mietwohnraum suchen, rate er, sich bei Genossenschaften listen zu lassen.

Für Menschen, die eher Luxus- statt Alltagssorgen umtreiben, hat ein Makler aus dem Würmtal indes positive Botschaften zu verkünden. Immer mehr Kunden aus gehobenen Lagen in München, etwa Nymphenburg, ziehe es nach Gräfelfing. "Dort findet keine unkontrollierte Nachverdichtung statt", sagt Ralf Heidemann. Dem Villenkäufer sei ein Umfeld garantiert, in dem auch die Nachbarvillen auf 1000 Quadratmeter-Grundstücken stünden.

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SZ vom 29.09.2016
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