Süddeutsche Zeitung

Wertstoffhöfe in München:Der letzte Dreck

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"Sonnenschirm da rein, Holz auf der anderen Seite": Die Container der Wertstoffhöfe sind oft überfüllt, weil viele Münchner zu viel Abfall entsorgen wollen. Die Mitarbeiter stehen unter großem Druck - und manchmal bis zu den Knöcheln im Matsch.

Martina Kollroß

An der Einfahrt stehen drei Männer und diskutieren. Neben ihnen parkt ein mit abgebrochener Dachpappe, Staub und Schutt beladener Anhänger. Während einer der Männer ihn ankeift, bleibt der Arbeiter in der orangefarbenen Latzhose ruhig. Er erklärt es noch einmal: Auf dem Wertstoffhof dürfe nur unvermischter Schutt abgegeben werden. Und zwar nur so viel, wie in zehn 10-Liter-Eimer passten. Die Männer geben auf, sie fahren auf den Hof und klettern auf die Stufen des Containers, um zumindest einen Teil des Mülls loszuwerden.

Der Wertstoffhof ist dafür gedacht, kleine Mengen abgeben zu können", sagt Geschäftsbereichsleiter Wolfgang Meyer. Er ärgert sich oft über die Leute, die lieber fünfmal zum Wertstoffhof fahren, anstatt die Abfälle ihrer Renovierungsarbeiten einmal richtig und gegen Gebühr zu entsorgen. Die Obergrenzen sind genau geregelt, um Überfüllungen zu vermeiden. Zu denen kam es in den vergangenen Wochen trotzdem immer wieder, weil einige Arbeiter Urlaub hatten und andere krankheitsbedingt ausfielen. Zudem streikten die Müllmänner, die Höfe blieben tagelang geschlossen.

Auch im Großhaderner Wertstoffhof an der Tischlerstraße gab es Probleme. Platzwart Sadettin Ceber wirkt müde und abgekämpft. Er sitzt auf dem stechend heißen Hof im Schatten eines Busches. Auch heute seien sie nur zu dritt, denn ein Arbeiter werde an anderer Stelle gebraucht und vier hätten sich krank gemeldet. Er spricht von der nervlichen Belastung der Arbeiter. Denn schwierige Fälle wie den Mann mit dem übervollen Anhänger gebe es viele. Härtefälle nennt er sie. Bei 100 der um die 700 Anlieferungen am Tag müsse man diskutieren. Manche Bürger reagierten aggressiv und drohten sogar mit Anzeigen. Dass ein Wertstoffhof-Mitarbeiter sich auch mal im Ton vergreife, könne man sich vorstellen.

An diesem Augusttag ist es auf dem Hof ruhig, was wohl an der Hitze liegt. Die Sperrmüllpressen zermalmen mit leisem Summen ein altes Sofa, das der Besitzer zuvor mit Wucht in den Container geworfen hat. Am Tag zuvor ging es mehr zu. Da stauten sich die Autos bis um die Kurve. Die Angestellten mussten wie Polizisten den Verkehr regeln.

Anweisungen erteilen können sie alle gut: "Sonnenschirm da rein, Holz auf der anderen Seite." Mit zackigen Armbewegungen werden die Kunden in die passende Richtung gelenkt. Wenn dann doch mal Gartengestrüpp bei den Kartonagen landet, müssen die Arbeiter in den Container kriechen und es wieder rausholen.

Ein Mitarbeiter trägt ein Bild ins Trödellager. Was noch brauchbar ist, sammeln die Angestellten dort. Allerdings nur solange, bis das Lager voll ist. In den Kisten stapeln sich alte Lautsprecher, Spielzeug und Möbel. Einmal die Woche holt ein Lastwagen die Sachen und bringt sie ins Gebrauchtwarenkaufhaus "Halle 2" in Giesing. Dort werden sie günstig verkauft. Das spült immerhin etwa 400.000 Euro pro Jahr in die Kasse.

Aber auch das, was nicht verkauft werden kann, ist wertvoll. München produziert viel Müll - und der wird in Zeiten von weltweiter Rohstoffknappheit immer kostbarer. So entwickelt sich die Abfallwirtschaft mehr und mehr zur Recyclingwirtschaft. 82 Prozent der 94.000 Tonnen Abfall im Jahr, die Münchens Einwohner zu den Wertstoffhöfen bringen, werden wiederverwertet.

Auf den drei neuen Wertstoffhöfen soll das noch besser funktionieren. In Freimann wird gerade ein Wertstoffhof für Großmengen gebaut. Im Südosten der Stadt sucht man noch nach einem geeigneten Standort. Im Münchner Westen, in Obermenzing, eröffnet 2013 ein neuer Hof an der Mühlangerstraße. Der löst die alte "Sperrmüllsammelstelle" an der Lochhausener Straße ab. So hieß der Wertstoffhof, als er vor mehr als 20 Jahren als Übergangslösung eröffnet wurde.

Auch dort an der Lochhausener Straße geht es an diesem Tag ruhig zu. Die Autos, die sich hintereinander in den halbmondförmigen Hof schieben, wirbeln Staub auf. "Wenn es regnet, stehen die Arbeiter bis zu den Knöcheln im Matsch", sagt Wolfgang Meyer.

Der Geschäftsbereichsleiter wacht an der Hofeinfahrt, hat ein Notizbuch in der Hand und beobachtet das Treiben mit "Argusaugen", wie er im Scherz sagt. Dass der Hof nur als Übergangslösung geplant war, sieht man überall. An den nicht asphaltierten Flächen. Den provisorischen Büro-Containern. Und an den vier Garagen, die sie als Trödellager nutzen.

Gleich um die Ecke an der Mühlangerstraße ensteht der neue Hof neben dem Umspannwerk. "Das wird das Highlight." Wolfgang Meyers Augen funkeln hinter seiner Brille mit dem türkisfarbenen Plastikgestell. Das alte Gelände werde wohl wieder zur Grünfläche, sagt Meyer. Seiner Meinung nach gehörte der Wertstoffhof schon seit Mitte der neunziger Jahre weg. Ein Stammkunde, der gerade Gartenabfall in einen Container hievt, stimmt ihm zu. "Es gibt wirklich schönere Wertstoffhöfe."

Die neuen Wertstoffhöfe sollen vor allem größer werden, denn München wächst. Besonders im Westen, in Freiham. Deswegen kann man auf den neuen Höfen dann auch größere Mengen Abfall gegen Gebühr abgeben. Und das 56 Stunden in der Woche. Die Zahl der "Härtefälle" lässt sich so vielleicht verringern. Immerhin muss dann keiner mehr seinen Müll wieder mit nach Hause nehmen. Ein bisschen Geduld ist allerdings noch nötig, der erste Großmengenhof im Münchner Norden öffnet im Herbst 2012.

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Quelle:
SZ vom 27.08.2011
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