Süddeutsche Zeitung

Werbekampagne:Wie eine Münchner Brauerei sich über die Preißn lustig macht

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"Do is bsetzt", steht auf Liegestühlen, die an Wirtshäuser verteilt werden. Und etwas kleiner: "Nix für Preißn". Die allerdings finden das gar nicht witzig.

Kolumne von Franz Kotteder

Scherze, die auf unsere Kosten gehen, lieben auch wir nicht so besonders. Deshalb haben wir gebürtigen Münchner in der Redaktion (doch, die gibt es!) durchaus Verständnis für preußische Berufskollegen, die sich dieser Tage erregen über die Kampagne einer großen Brauerei in der Stadt. Die verteilt jetzt an ihre Wirte Liegestühle, auf denen in großen Lettern steht: "Do is bsetzt", sowie etwas kleiner der Werbe-Claim: "Nix für Preißn". Die Kollegen finden das wenig originell, bei einigen kommen gar "ungute Assoziationen" auf.

Will man's übertreiben, dann denkt man an das Apartheid-System in Südafrika mit Sitzbänken, die ausschließlich weißen Ärschen vorbehalten waren, oder gar an noch Schlimmeres aus der deutschen Vergangenheit. So ganz schlüssig sind diese Parallelen freilich nicht, denn dass die Hochdeutschsprechenden in dieser Stadt auch nur ansatzweise unterdrückt werden, ist eine gewagte Behauptung.

Tatsächlich stellen die Dialektkundigen ja nur noch eine Splittergruppe dar. Diese sieht die überwältigende Mehrheit, vereinfacht "Preißn" genannt, wahlweise als originell-urige Ausgeburt des Lokalkolorits einer süddeutschen Großstadt oder aber als irritierende Restbestände eines zurückgebliebenen Gebirgsvolks, das sich in die ansonsten astrein gentrifizierte Vorstadt verlaufen hat.

Angesichts dieser Machtverhältnisse müssen wir Eingeborenen nun mit Abscheu und Empörung feststellen, dass wir tatsächlich so etwas wie "klammheimliche Freude" (um eine andere historische Parallele zu ziehen) über diese Werbekampagne empfinden.

Das ist umso verstörender, als sich die Brauerei mit der "Preißn"-Diskriminierung scheinheilig eine gewisse Street Credibility zurückholen will, die sie durch ihr Zusammengehen mit einem niederländischen Braukonzern schon vor Jahrzehnten verspielt hat. Aber das muss man aushalten, wenn man sich auf Kosten anderer amüsiert.

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SZ vom 04.04.2018
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