Süddeutsche Zeitung

Vorschlag-Hammer:Bällsche und Prosecco

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Exil-Hessen, Lärmmutige, Akademiker und Jazz-Avantgardisten: bei Badesalz, Candelilla, einer wissenschaftlichen Annäherung an das Werk der Beatles und bei Organ Explosion werden ganz unterschiedliche Geschmäcker bedient

Von Karl Forster

Vor vielen, vielen Jahre ereilte mich der Auftrag, in den Circus Krone zu marschieren, um eine Rezension der Kabarettgruppe Badesalz zu verfertigen. Ich kannte zwei oder drei Scherze aus gepressten Veröffentlichungen, kannte also die Art von Humor rund um "a Bällsche" oder "zwa Bällsche" und fand das sogar ein bisschen lustig. Ich bin an diesem Auftrag kläglich gescheitert. Nach einer halben Stunde intensivsten Bemühens, wenigstens ein Wort zu verstehen, stand ich auf, verließ den Krone und teilte am nächsten Morgen meinem Vorgesetzten mit, ich sei absolut nicht in der Lage, darüber auch nur eine Zeile zu schreiben. An der Überprüfung der Situation, ob also die Sprachbarrieren zwischenzeitlich etwas geschleift worden sind, bin ich nicht interessiert, aber es gibt ja genug Hessen in München (Circus Krone, Freitag).

Ganz anders ergeht es mir, ebenfalls am Freitag, mit dem Auftritt der Damenband Candelilla . Ich habe mir deren Musik schon im letzten Sommer kurz im Theatron angehört, weil dort am Klavier die Kollegin Rita Argauer sitzt und ich nicht glauben wollte, dass ein zartes Wesen, das kundigst über Klassik zu schreiben weiß, solch einen orgiastischen Lärm zu organisieren in der Lage ist. Im Laufe des Abends jedoch spürte ich, dass hinter dieser gewöhnungsbedürftigen Geräuschkulisse ein Konzept steckt, eine Strategie, ja mehr noch, eine Art echter Musik mit - nach einer Eingewöhnungsphase - wirklicher Kraft und Spaß am Anarchischen. Die vier Damen haben wochenlang an einem neuen Album getüftelt, jetzt stellen sie Teile davon bei einer "Spendengala" mit mehreren Bands in der Milla vor. Wenn es sich irgendwie ausgeht, tue ich mir das an.

Am Donnerstag könnte man akademische Feldforschung betreiben. Im Saal der Musikhochschule widmen sich Studierende und Dozenten derselben den Kompositionen der Beatles. Es ist ja nicht so, dass dies Neuland wäre für die akademische Welt. Aber zu hören, wie man hochschulmäßig mit "Please Please Me" über "Lovely Rita" bis "She Came In Trough The Bathroom Window" umgeht, könnte spaßig werden.

Diesem Mittwoch gehört der Spruch von der Qual der Wahl. Im Muffatwerk spielt Organ Explosion, ein Trio mit dem Organisten Hansi Enzensberger. Da ich selber eine alte Röhrenhammond habe (leider keine B3 wie hier), würde ich gerne noch was dazulernen. Das könnte ich an diesem Abend aber sicher auch im Ebenböckhaus 1 in der gleichnamigen Straße in Pasing, das zur Pasinger Fabrik gehört. Dort liest unter dem Rubrum "Grand Tour" der Kollege Gottfried Knapp, mein Lieblingskollege aus dem Feuilleton, wie es heißt "heitere, besinnliche, satirische Texte", ich hoffe aus eigener Feder. Vielleicht ist dann jener dabei über den Grappa und wie dieser den Weg geschafft hat vom schlichten Trester zum Digestif für die oberste Gesellschaft. Oder der über die wundersame Vermehrung des Prosecco. Das ist schon was anderes als "a" oder "zwa Bällsche".

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Quelle:
SZ vom 22.04.2015
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