Süddeutsche Zeitung

Kritik:Verwehte Wirrungen

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Philipp Arnold inszeniert Oscar Wildes "Bunbury" als rasante, absurde Screwball-Komödie am Volkstheater.

Von Yvonne Poppek, München

Das Schöne an der Verwirrung ist, dass sie sich immer noch ein Stück weiter treiben lässt. Und das Großartige an Oscar Wildes "The Importance of Being Earnest" ist, dass dem Stück jede weitere Verwirrung kaum etwas anhaben kann. Der Dreiakter ist schon immer überdreht, schert sich nicht um die Wirklichkeit. Ein Kritiker seiner Zeit schrieb: "Es wäre ebenso töricht, über das Stück ernsthaft zu diskutieren, wie wenn man nach einem guten Diner das Innere eines Omlette soufflée untersuchen wollte." Philipp Arnold hat sich nun am Münchner Volkstheater einen Spaß daraus gemacht, die Komödie aus dem Jahr 1895 an verschiedenen Stellen noch etwas absurder zu machen. Warum? Ach, komm. Einer geht noch.

Dass die Inszenierung als Screwball-Komödie verstanden werden will und generell nichts ernst nimmt, wird schon allein über die Ausstattung deutlich. Die Kostüme von Julia Dietrich setzen auf Überzeichnung, die Bühne von Viktor Reim besteht aus bemalten Prospekten oder wackeligen Kulissen. Ein paar Sessel, einen Teewagen gibt es noch dazu. Um zu zeigen, wie albern das ist, werden gerne die aufgemalten Blumen gegossen oder ein Schirm an die aufgemalte Kulissenklinke gehängt. Das kann freilich niemand so schön wie Pascal Fligg. Als Lady Bracknell, die gestrenge Hüterin der Tochter Gwendolen, streckt er nahezu vorwurfsvoll den Arm zur Kulisse aus, hält das Schirmchen kurz fest, bevor er quasi dessen Todesurteil vollstreckt und es mit Aplomb zu Boden fallen lässt. Fligg, der an diesem Abend auch als Pastor Chasuble auf der Bühne steht, ist ein Meister der schrillen Komik. Das darf er hier genussvoll auskosten, Arnold gibt ihm Raum.

So wie der Hausregisseur generell bei jeder Figur Spleens ausarbeitet, um seine Version von Wildes Stück nachvollziehbar zu machen. Arnold hat sich für die derbe, klamaukige deutsche Fassung von Elfriede Jelinek entschieden, "Ernst ist das Leben (Bunbury)". Allerdings hat er an der Grundsituation entscheidend geschraubt. Die beiden Lebemänner Jack und Algernon, die gerne in andere Rollen schlüpfen, um ein ausschweifendes Leben zu führen, sich aber dummerweise dabei in Gwendolen und Cecily verlieben, sind bei Arnold ein homosexuelles Paar, und sämtliche Verwicklungen, die am Ende zur Verlobung mit den jungen Damen führen, werden dadurch noch komplizierter. Um es noch weiter zu treiben, hat Arnold die Rolle von Jack mit der unter Hochdruck stehenden Carolin Hartmann besetzt, so dass die Geschlechterzuschreibung alles andere als eindeutig ist.

Lukas Darnstädt gibt in all den Wirrnissen den Algernon als schwulen Dandy, gespreizt und verletzlich. Er bildet mit Fligg die Leitplanken des Abends, in deren Mitte sich Nina Steils als Cecily platziert, die mit leicht irrem Anstrich Fantasie über Wirklichkeit schiebt. Liv Stapelfeldt stöckelt dazwischen als prollige Adelsgöre, Ruth Bohsung ist die souverän unverklemmte Gouvernante. Alle sechs Schauspieler zeichnen tolle Karikaturen, ihre Nummern lassen den zerzausten Abend dahingaloppieren. Allerdings fehlt eines: Publikum. Die erlaubten 25 Prozent lassen zu viel der Komik durch ihre Reihen wehen. Für den kurzweiligen Abend ohne Langzeitfolgen fehlt der Resonanzkörper. Hoffentlich nicht mehr lange.

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