Süddeutsche Zeitung

Nach zwölf Jahren Amtszeit:Rauschend wie im Ruhrpott

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Münchens Kulturschaffende richten Hans-Georg Küppers im Volkstheater ein launiges Abschiedsfest aus

Von Oliver Hochkeppel

Man kann sich nicht erinnern, dass ein Kulturreferent der Landeshauptstadt München schon einmal derart aufwendig und launig verabschiedet worden wäre wie Hans-Georg Küppers am Samstag im Volkstheater. Bei seinen direkten Vorgängern hätte man sich das auch nicht vorstellen können. Küppers hatte das Kulturreferat ja als Scherbenhaufen übernommen. Wie er den in kürzester Zeit kitten und eine zwölfjährige Erfolgsgeschichte starten konnte, auch davon erzählt dann die von Kammerspiele-Allzweckwaffe Wiebke Puls moderierte Gala.

Was schon mit einem bezeichnenden Gag beginnt. Oberbürgermeister Dieter Reiter tritt ans Rednerpult - um es sogleich wieder zu verlassen, sich seine Gitarre zu schnappen und mit einem Ensemble der Philharmoniker eine stark verfeinerte Version der Vereinshymne von Rot-Weiß Oberhausen zu spielen. Die Begegnung, vielmehr die Gleichberechtigung von Hoch-, Massen- und Subkultur wird sich fortan als Thema durch den gesamten Abend ziehen, getreu der Parole "Kultur für alle", die Küppers in seiner Amtszeit nicht nur ausgegeben, sondern wie kein anderer mit Leben erfüllt hat. Dazu gehört eben auch der Topos seiner Herkunft. Die Ruhrpott-Mischung aus Unaufgeregtheit, Bescheidenheit und Unermüdlichkeit, aus Humor, Klugheit und Geselligkeit, aus Flexibilität, Pragmatismus und Begeisterungsfähigkeit wird ausführlich als das Rezept benannt, das das von vielen Beteiligten betonte Münchner "Kultur-Wunder" seiner Ägide möglich machte.

Da trägt Wiebke Puls den Songtext des Oberhausen-Lieds der Missfits vor; bedankt sich Kolumnist Axel Hacke per Video-Einspieler bei Küppers für die nur seinetwegen erworbene Fußball-Sachkenntnis Rot-Weiß Oberhausen und dessen Spieler Dieter Brozulat betreffend; stellt Schriftsteller Tilman Spengler gewitzt Analogien zu anderen Oberhausener Kulturgrößen (und nicht zuletzt sich selbst) her.

Beim eindrucksvollen Spalier all der von Küppers begleiteten Kulturschaffenden (von Puls mit dem schönen Ruhrpott-Spruch "Guten Schmerz geht nich auf leise" begründet) dreht das Ganze freilich schnell wieder ins Münchnerische ab. Die Leitenden der Volkshochschule etwa schenken ihm etwas aus ihrem Kursangebot: eine "Wanderung zum Deixlfurter See". Den Katalogtext dazu trägt dann Salome Kammer als klassischen Liedgesang vor. Die Chefs von Stuck-Villa und Lenbachhaus betreiben Bildexegese anhand von in Klassiker einmontierten Küppers-Porträts. Das Spektrum reicht von liebenswert naiv bis hochprofessionell wie die umwerfende Beatbox-Einlage des Falckenberg-Schauspielschülers Conrad Ahrens. Oder dazwischen, wie bei der grandiosen Dire-Straights-Adaption von "Walk of Life" einer Kammerspiele-Band mit personalisierter Küppers-Schluss-Strophe.

Als sich da alle klatschend erheben, pfeift sie Wiebke Puls zurück. Bislang habe man die übliche "Ödnis" solcher Veranstaltungen vermieden, ein bisschen davon müsse aber noch sein. OB Reiter bedankt sich für diese "charmante Anmoderation" und sagt also die Lobeshymne auf, die sein muss, die aber auch selten jemand so verdient hat. Spätestens als danach der Gefeierte selbst die Bühne erklimmt, hätte Wehmut und Rührung aufkommen können. Doch ein Hans-Georg Küppers lässt so etwas natürlich nicht zu. Stellt stattdessen noch einmal so humorvoll wie pointiert die Eckpunkte einer guten, zu Mündigkeit führenden Kulturpolitik klar ("ist immer politisch, nie neutral"). Was fast wie eine Bewerbungsrede klingt. Nicht nur die hier Versammelten würden ihn wohl sofort wieder nehmen.

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Quelle:
SZ vom 24.06.2019
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